Wochenbericht für die 46. Kalenderwoche 2015

Liebe Leserinnen und Leser meines Wochenberichts,
Zusammen mit Cathrin im Paul-Löbe-Haus
Zusammen mit Cathrin im Paul-Löbe-Haus

vorab möchte ich meine neue Studentische Hilfskraft Cathrin vorstellen. Sie verstärkt mein Team in Berlin bis Ende des Jahres. Sie ist im Endspurt ihres Studiums zur Berufsschullehrerin und arbeitet derzeit an einem Konzept „Berufsschule der Zukunft“. Angesichts ihres Studiums und ihrer eigenen Erfahrungen ist sie sowohl fachlich als auch persönlich eine große Bereicherung.

Diese Woche begleitete mich zudem der Gewerkschaftsjunior der NGG, Martin Bauerschäfer. Einmal im Jahr können junge Gewerkschaftsjunioren für eine Woche hinter die Kulissen der Politik schauen und lernen die Arbeitsweise der SPD-Bundestagsfraktion, eines Abgeordneten und den beruflichen Alltag der MdB-Büros kennen. Neben dem, von der Fraktion organisierten, straffen Programm, hat Martin auch in meinen Berufsalltag schauen können.

Die Sitzungswoche begann für mich in Hannover.

Die Gewerkschaftsjunioren zusammen mit Thomas Oppermann
Die Gewerkschaftsjunioren zusammen mit Thomas Oppermann

Zusammen mit meinem Kollegen Wilhelm Priesmeier (SPD) besuchte ich die weltweit größte Landtechnik-Messe Agritechnica. Rund 2.900 Aussteller aus 52 Ländern präsentierten hier ihre Technik für die professionelle Erntetechnik. Im Mittelpunkt standen in diesem Jahr Effizienz und Umweltschutz. Die Innovationen der Hightech-Landmaschinen sind beeindruckend. Wenn Industrie 4.0 zurzeit in Deutschland schon wirklich erkennbar Wirkung zeigt und sich in der Umsetzung befindet, dann in der deutschen Landmaschinentechnologie. Vor Ort habe ich die Gelegenheit genutzt und mit Vertretern der Landmaschinenhersteller gesprochen, besonders schön für mich dass ein Großteil der deutschen Landmaschinenhersteller sich in meinem Wahlkreis oder in angrenzenden Wahlkreisen befindet. Ein schönes Gefühl, wenn heimische Industrie mit guten Arbeitsplätzen dominant in der Weltspitze mitspielt.

Auf der Agritechnica-Messe
Auf der Agritechnica-Messe

Am späten Nachmittag ging es zurück nach Berlin zur Landesgruppensitzung mit unserer Generalsekretärin Yasmin Fahimi.

Dienstagmorgen ging es dann wie gewohnt mit der AG Bildung los.
Im Anschluss folgte die AG Landwirtschaft. Hier sprach ich über meinen Besuch auf der Agritechnica Messe. Darüber hinaus beschloss die AG mich im Plenum zum Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) reden zu lassen und so den Wirtschaftssektor Landwirtschaft zu vertreten.
Nachmittags stand die Fraktionssitzung an. Thema war unter anderem die Anerkennung von Berufsqualifikationen innerhalb der Europäischen Union. Die Verfahren zur Anerkennung wurden durch eine EU-Richtlinie modernisiert und vereinfacht. Diese Richtlinie setzen wir nun mit dem Gesetz zur Änderung des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes endlich in nationales Recht um. Durch die Reform werden die Hürden für den Wechsel in einen anderen EU-Mitgliedstaat sinken und sich die Mobilität erhöhen.
Ein weiteres Thema bildete Industrie 4.0. In einem Koalitionsantrag benennen wir die Herausforderungen und fordern weitere Maßnahmen, um die Entwicklung zur Industrie 4.0 zu begleiten, zu fördern und zu gestalten. Was mich dabei sehr freut ist der Fokus der in diesem Zusammenhang besonders auf die Fragen der Aus- und Weiterbildung gelegt wird.

Mittwochvormittag tagten der Bildungsausschuss, sowie der Landwirtschafsschuss in dem wir über die Beschäftigungsstrukturen, insbesondere den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Schlachtbetrieben sprachen.

Einer der schönsten Termine der Woche war für mich das Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern des Bundesschülerrates. Ich bin auf sechs sehr sympathische, engagierte und höfliche junge Menschen gestoßen. Ausgestattet mit Enthusiasmus großem Wissen und starken gesellschaftlichen Engagement diskutierten sie mit mir Fragen der Zukunft der Berufsausbildung. Selten hab ich eine Diskussion so genossen wie mit diesen jungen Menschen. Ich bin mir ganz sicher, dass diese Vertreterinnen und Vertreter unser Jugendpopulation ihren Weg machen werden und eine große Bereicherung unseres gesellschaftlichen Seins werden sein.

Zusammen mit den Vertreterinnen und Vertretern des Bundesschülerrates
Zusammen mit den Vertreterinnen und Vertretern des Bundesschülerrates

Im Anschluss traf ich mich mit meinem Gewerkschaftsjunior Martin im Büro. Wir sprachen über seine Eindrücke die er die Tage gesammelt hat. Martin ist Gewerkschaftsjunior der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Wir führten eine sehr angeregte Diskussion über die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen im Sektor der Nahrungsmittelproduktion.

Nachmittags folgten zwei namentliche Abstimmungen. Abends ging es nochmals ins Plenum. Nach zwei weiteren namentlichen Abstimmungen folgte eine Debatte zur Änderung des Berufsqualifikationsfeststellgesetzes.

Freitagvormittag besprach ich im Büro mit meinem Mitarbeiter Alexander noch einige Einzelheiten zu meiner Plenumsrede über das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA).

Danach ging es dann los. Wie immer war die Debatte eine sehr angeregte. Was sich für mich abgezeichnet hat war das mangelnde Vertrauen der Opposition in unser gemeinsames Europäisches Parlament und die Kommission. In einer kurzen Rede machte ich deutlich, dass Transparenz Basis jeglicher Entscheidung sein muss und wir die Kritik am Freihandelsabkommen sehr wohl ernst nehmen müssen. Gleichwohl ist zurzeit die Europäische Kommission am Zuge. Wir werden danach die Möglichkeit haben im Deutschen Parlament in aller Offenheit über das Ergebnis der Verhandlungen abzustimmen. Vielleicht in diesem Zusammenhang doch noch ein wirtschaftlicher Aspekt: sowohl für die deutsche Milchviehwirtschaft, als auch für den deutschen Landmaschinensektor ist Kanada mit seinen riesigen landwirtschaftlichen Flächen ein extrem spannender Markt, den wir zurzeit noch nicht annährend genügend erschlossen haben.

Nach einer terminreichen Woche ging es im Anschluss zurück nach Osnabrück.

In Gedenken an Helmut Schmidt

Nach dem ersten Schreck über den Tod von Helmut Schmidt bin ich gerade wegen unserer momentanen politischen Situation sehr nachdenklich geworden.
Wir waren als Parlamentarier gestern Abend in die Landesvertretung Hamburg eingeladen. Hier sollte fraktions- und ressortübergreifend die Olympiabewerbung vorgestellt werden. Der Abend begann mit einer Trauerminute für den Ehrenbürger der Hansestadt Hamburg und Altkanzler Helmut Schmidt. Deutlich wurde die Tiefe der Verbundenheit der Hamburger mit dem Mann, der die Folgen der fürchterlichen Sturmflut beherrschbar machte.

Helmut Schmidt war gelebte Demokratie im besten Sinne. Wir geben aus Überzeugung Macht, sogar sehr große Macht auf Zeit in die Hand weniger, gelegentlich sogar in die Hand einer Person. Die Richtlinienkompetenz des Kanzlers ist in unserer Verfassung festgelegt. Grundsätzlich hat bei uns die Exekutive großen Gestaltungs- und Ermessensspielraum. Jeder Bürgermeister oder Landrat kann je nach Fähigkeit seinen Wahlbereich maßgeblich gestalten. Diese ausführende Gewalt ist ausdrücklich so gewollt. Sie muss aber auch entsprechend genutzt werden. Das Credo von Helmut Schmidt war: das Land vor der Partei. Übrigens seit 150 Jahren eine Überzeugung, die Sozialdemokratie leitet.

Wenn wir uns die Kanzlerschaft von Kanzler Schmidt vor Augen führen, gab es gewaltige Herausforderungen, besonders auch persönliche. Die Zeit der RAF hat ihn an die Grenze dessen geführt, was ein Einzelner entscheiden kann und will. Sowohl die Entscheidungen zur Befreiung der Landshut, als auch der Umgang mit den Entführern von H. M. Schleyer war im Team getroffen.
Helmut Schmidt hat aber immer deutlich gemacht, dass er die Verantwortung trägt. Gerade im Fall Hanns Martin Schleyer hat sie ihn sein Leben lang begleitet.

Er war Leitfigur und hat zu seiner Verantwortung gestanden. Immer noch in aller Erinnerung die autofreien Sonntage. Es war ein Signal an die eigene Bevölkerung: ‚Seht wir haben ein Energieproblem und müssen damit umgehen‘. Ob es heute noch den persönlichen Mut gibt, derartige Entscheidungen zu formulieren und umzusetzen, darf man getrost hinterfragen.
Der Weltwirtschaftsgipfel war mit eine Idee von Schmidt. Er hat uns globaler und internationaler gemacht.

Er hat als Kanzler aus tiefer Überzeugung den NATO-Doppelbeschluss betrieben. Am Ende gegen die Meinung der SPD. Es gibt nicht wenige, die behaupten, er habe mit seiner Ansicht recht gehabt und die Geschichte habe ihm Recht gegeben. Er hat sich immer positioniert und seine Meinung vertreten und dann auch umgesetzt. Das ist die Besonderheit der Richtlinienkompetenz. Seine Führung war präsent und hat Orientierung gegeben – so muss es sein. Ich habe heute und auch gestern immer wieder gehört, das Durcheinander bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation hätte es mit Helmut Schmidt nicht gegeben. Ich glaube das zunehmend auch und das macht mich traurig. Politik braucht geradlinige, kantige, begabte und auch unbequeme Führungspersönlichkeiten. Jede Zeit braucht ihre Helmut Schmidts, jetzt gerade.

Ich würde mich zutiefst freuen, wenn es gelänge, dass in den nächsten Tagen und Wochen in der Tradition und Wertvorstellung unseres Altkanzlers in Berlin regiert würde.

In großer Trauer und Betroffenheit

Rainer Spiering

 


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