Liebe Leserinnen und Leser meines Wochenberichts,
die Corona-Erkrankung hunderter osteuropäischer Arbeitsmigranten in der Fleischindustrie hat in den letzten Wochen deutschlandweit für Entrüstung gesorgt. Wie in vielen anderen Bereichen hat auch hier die Pandemie wie ein Brennglas gewirkt und die menschenunwürdigen Zustände offengelegt: Unbezahlte Überstunden, überteuerte und miserable Unterkünfte, mangelnde Hygiene, Verstöße gegen das Arbeitszeit- und Mindestlohngesetz. Besonders davon betroffen sind Beschäftigte, die aus dem Ausland stammen.
Auch in dieser Woche haben wir uns in der AG Landwirtschaft mit diesen unhaltbaren Zuständen beschäftigt. Die gravierenden Mängel in der Land- und Ernährungswirtschaft sind nicht von heute auf morgen vom Himmel gefallen. Doch notwendige Änderungen für mehr Arbeitnehmerschutz werden seit Jahren von Seiten der Lobby und der Union verhindert. Wir haben uns in der SPD-Bundestagsfraktion für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen stark gemacht – mit Erfolg. Ab dem kommenden Jahr gilt ein Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen in der Branche. Das bedeutet, dass nur noch Mitarbeiter des eigenen Betriebes Tiere schlachten und das Fleisch verarbeiten dürfen. Zusätzlich sollen stärkere Kontrollen die Arbeitgeber zwingen, Gesundheitsstandards einzuhalten. Mit der zeitnahen Umsetzung der beschlossenen Eckpunkte schaffen wir in dieser Branche endlich eine verbindliche Grundlage für menschenwürdige Arbeit, die längst überfällig war.
Am Dienstag nahm ich an einer virtuellen Agrarsprecherkonferenz zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU teil. Gemeinsam mit unserer Europaabgeordneten Maria Noichl sprachen wir über den aktuellen Stand der Verhandlungen auf europäischer Ebene.
Anschließend tagte die Fraktion.
Im Ausschuss sprachen wir am Mittwochvormittag unter anderem über die Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben zum Schutz der Gewässer, über die am Donnerstag abschließend beraten wurde. Mit seinem Urteil vom 21. Juni 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland die europäische Nitrat-Richtlinie nicht ausreichend umgesetzt hat und die Oberflächengewässer und Meere sowie das Grundwasser stellenweise zu stark mit Nitrat belastet sind. Die bislang ergriffenen Maßnahmen waren nicht ausreichend und zusätzliche „Maßnahmen oder verstärkte Aktionen“ notwendig. Mit der jetzt vorgenommenen Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes wird endlich darauf reagiert. Für landwirtschaftlich genutzte Flächen, die eine Hangneigung von durchschnittlich mindestens fünf Prozent aufweisen, wird eine verpflichtende dauerhafte Begrünung in einem Bereich von mindestens fünf Metern ab der Böschungsoberkante des Gewässers festgelegt. Das soll helfen, den Nitrateintrag zu vermeiden.
Den restlichen Tag führte ich Gespräche mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Leibniz-Gemeinschaft. Dabei ging es unter anderem um Agrarsysteme der Zukunft und wie diese mit Hilfe der Digitalisierung gestaltet werden können, aber auch die Nährstoffbelastung von Grundwasser durch undichte Kanalisationen war Thema der Gespräche.
Am Donnerstag protestierten bundesweit Landwirtinnen und Landwirte gegen den von Bundesumweltministerin Svenja Schulze vergangene Woche vorgelegten Bericht zur Lage der Natur, in dem der Einfluss der landwirtschaftlichen Nutzung auf die Umwelt thematisiert wird. Zu den Protesten aufgerufen hatte Land schafft Verbindung (LsV). Die Behauptung der Protestierenden, die SPD wolle die Landwirtschaft aus welchen Gründen auch immer abschaffen, ist schlichtweg falsch. Wir schätzen und würdigen die Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte, sehen aber auch die großen Herausforderungen, vor denen sie stehen und diese müssen auch klar benannt werden. Es ist gerade die Aufgabe von Politik, hier an der Seite der Betroffenen zu stehen und Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen für und nicht gegen sie zu treffen. Zu diesen großen Herausforderungen zählen unbestritten unter anderem der Klimawandel und der Verlust der Artenvielfalt. Agrar- und Umweltwissenschaftler belegen den Einfluss der Landnutzung auf Umwelt und Natur. Neben dem Austausch mit Praktikerinnen und Praktikern fließen genau diese wissenschaftlichen Erkenntnisse und eben nicht angeblich weltfremde Ideologien in unser politisches Handeln ein. Klar ist: es muss sich was ändern. Allerdings können wir den notwendigen Wandel nur gemeinsam meistern. Es ist menschlich nachvollziehbar, dass Veränderungen und das Verlassen liebgewonnener Routinen skeptisch gesehen werden. Doch der zunehmend verschärfte Ton in dieser Diskussion macht mir Sorgen und erschwert es konstruktiv mit allen Betroffenen zu erörtern und zu gestalten. Mein vollständiges Antwortsschreiben an die Vertreterinnen und Vertreter von „Land schafft Verbindung“ finden Sie/findet Ihr hier.
Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Fraktion sprach ich am Donnerstag mit unserem Wirtschaftsminister Olaf Scholz über das geplante Konjunkturpaket. Uns allen ist klar, dass wir starke Impulse für ein nachhaltiges Wachstum, für gute Arbeit und innovative Lösungen für unsere Zukunft brauchen. Mit den von uns beschlossenen Rettungsschirmen und Hilfsmaßnahmen, die wir in den letzten Monaten beschlossen haben, haben wir die negativen Folgen bereits etwas abfedern können. Nun da die Wirtschaft langsam wieder hochgefahren wird, braucht es ein umfassendes Konjunkturpaket, welches die Wirtschaft in unserem Land stabilisiert. Unter anderem wollen wir die Kommunen durch kurzfristige Kompensation der Gewerbesteuerausfälle und die Befreiung von Altschulden unterstützen. So bleiben Kommunen in der Lage, notwendige Investitionen tätigen zu können. Auch die Steuerpolitik muss helfen, die wirtschaftliche Entwicklung zu stabilisieren und Beschäftigung zu sichern. So wird unter anderem die Mehrwertsteuer für Speisen in Gaststätten befristet bis Mitte 2021 auf sieben Prozent abgesenkt und die Aufstockungsbeiträge zum Kurzarbeitergeld werden von der Steuer befreit. Gleichzeitig verlängern wir die Lohnfortzahlung für erwerbstätige Eltern, die aufgrund von fehlender Kinderbetreuung derzeit nicht arbeiten können.
Neben all diesen nationalen Maßnahmen brauchen wir jedoch auch eine klare europäische Strategie, denn in einer globalisierten Welt, die auf wirtschaftliche Kooperation aufbaut, können wir uns nicht isoliert bewegen. Deshalb wollen wir vor allen Dingen denjenigen europäischen Ländern helfen, die sehr viel heftiger von der Krise getroffen wurden. Ich bin dankbar und froh, dass wir mit Olaf einen weitsichtigen und erfahrenen Minister haben, der wirklich um jeden Arbeitsplatz kämpft.
Abends sprach ich im Plenum über unsere Ernährungspolitik. Hintergrund der Debatte waren vier Anträge, die von der Opposition eingereicht wurden. Insbesondere der Antrag der FDP hat mich verärgert. Statt konstruktive Ideen für eine bessere Ernährungspolitik in die Debatte einzubringen, scheint ihr Antrag für ein „Weiter so“ zu werben. Dabei gibt es vieles zu verbessern. Dies hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie in der Fleischwirtschaft deutlich gemacht. Ich habe in meiner Rede dafür geworben, dass wir dem Schlachthandwerk in Deutschland endlich wieder den Stellenwert geben, der ihm zusteht.
Auch heute hielt ich eine Rede im Plenum. Dieses Mal zur zukünftigen Werbebeschränkung für elektronische Zigaretten. Mit der Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes, das am Freitag in erster Lesung im Bundestag beraten wurde, soll dies festgelegt werden. Denn Tabakprodukte unterscheiden sich von anderen legal beworbenen Produkten grundlegend. Schon der Konsum einer einzigen Zigarette ist schädlich. Und der Konsum nur weniger Zigaretten kann eine Sucht auslösen. Es gibt kein anderes Produkt, das bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gleichermaßen gefährlich ist. Und die Tabakwerbung trägt wesentlich dazu bei, dass junge Menschen mit dem Rauchen beginnen –und nur sehr schwierig wieder davon loskommen. Seit mehreren Jahren setzt sich die SPD für ein Tabakwerbeverbot ein und ich persönlich habe als Raucher kein Verständnis dafür, dass eine Debatte zur Beschränkung der Tabakwerbung abgewürgt wird, bevor sie überhaupt geführt werden kann. Dabei geht es doch hier um die Gesundheit und Aufklärung aller.
Im Anschluss an die Rede ging es für mich zurück in die Heimat.
Ich wünsche Ihnen und Euch ein erholsames und sonniges Pfingstwochenende!
Ihr/Euer Rainer Spiering, Mdb