Liebe Leserinnen und Leser meines Wochenberichts,
auch in dieser Woche beschäftigten wir uns im Bundestag damit, die negativen Folgen der Krise abzufedern. Zeitgleich wird derzeit auf allen Ebenen an einem Konjunkturpaket gearbeitet, um Deutschland und viele Menschen, die davon betroffen sind, aus einer wirtschaftlich schwierigen Lage herauszuführen, Arbeitsplätze zu sichern und die Produktion wieder anzukurbeln.
In der Fraktionssitzung am Dienstagnachmittag sprachen wir unter anderem über die Grundrente. Auf Druck der SPD hat die Union ihre Blockade in puncto Grundrente aufgegeben, sodass wir in dieser Woche endlich im Bundestag beraten konnte. Uns geht es darum, dass Lebensleistung anerkannt wird. Gerade für die Menschen, die in der Corona-Krise als Heldinnen und Helden des Alltags beklatscht werden. Anknüpfungspunkte für die Grundrente sind die Versicherungsdauer und die erbrachte Beitragsvorleistung. Um den Zuschlag zu erhalten, muss man im Lebensverlauf mindestens 30 Prozent und maximal 80 Prozent des Durchschnittsentgelts verdient haben. Voraussetzung für den vollen Erhalt der Grundrente sind 35 Beitragsjahre, zwischen 33 und 35 Beitragsjahren erfolgt ein gestaffelter Zuschlag. Dem Entwurf zufolge sollen rund 1,3 Millionen Menschen, einen spürbaren Zuschlag auf ihre Rente bekommen – ohne sie extra beantragen zu müssen. Vor allem Frauen und Menschen in Ostdeutschland werden davon profitieren. Das Grundrentengesetz soll ab 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Ich habe bereits im letzten Wochenbericht über die Situation der Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft berichtet. Wir müssen über die Arbeitsbedingungen und mangelnde Hygienemaßnahmen in landwirtschaftlichen Betrieben sowie der Fleischindustrie sprechen und vor allen Dingen müssen schnellstmöglich Lösungen gefunden werden, um die Sicherheit und Gesundheit der Saisonarbeitskräfte und Werksarbeiter auch wirklich bestmöglich schützen zu können.
Am Mittwoch bekam ich im Rahmen einer Befragung der Bundesregierung die Möglichkeit, unsere Bundeskanzlerin persönlich um Antworten zu bitten. Ich wollte von ihr wissen, welche konkreten Maßnahmen die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Bundesländern plant, um die Missstände schnellstmöglich zu beseitigen. Für mich ist klar: Wir brauchen eine grundlegende Reform dieser Arbeitsbereiche, um wettbewerbsfähige Arbeitsplätze zu erhalten, die den Gesundheitsschutz, faire Löhne und soziale Mindeststandards gewährleisten. Laut der Kanzlerin beabsichtigt die Bundesregierung notwendige Änderungen beschließen zu wollen. Dazu wird unser Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in der nächsten Woche ein Arbeitskonzept vorlegen. Insbesondere die erheblichen Mängel bei der Unterbringung müssen hier in den Blick genommen werden. Auf meine Nachfrage, wie es sein kann, dass einer nichstaatlichen Organisation wie dem Deutschen Bauernverband eine hoheitliche Aufgabe, nämlich die Organisation und Durchführung des Saisonarbeiterprogramms übergeben wird. Auf diese Frage konnte mir unsere Bundeskanzlerin jedoch keine Antwort geben.
Im Anschluss an die Befragung wurde im Bundestag im Rahmen einer aktuellen Stunde über die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie debattiert. In meiner Rede habe ich die Frage aufgeworfen, wieso den schlechten Arbeitsbedingungen, die in diesem Sektor auch schon vor Corona herrschten, in der Vergangenheit nur wenig Beachtung geschenkt wurde. Die Probleme, mit denen wir uns nun in der Fleischindustrie befassen, überraschen mich wenig, denn die Fleischindustrie ist der Niedriglohnsektor schlechthin in Deutschland. Ich habe sehr deutlich gemacht, dass ich die Arbeitsbedingungen, unter denen in den Niedriglohnsektoren, insbesondere in der Land- und Fleischwirtschaft, gearbeitet wird, für mich nicht hinnehmbar sind. Wer sich meine Rede in voller Länge anschauen möchte, kann dies hier tun: https://dbtg.tv/fvid/7445339.
Am Donnerstagmorgen haben wir im Plenum weitere Hilfen für Arbeitnehmer beschlossen. Denn auch wenn das Kurzarbeitergeld (KuG) die Arbeitsplätze vieler Menschen rettet, ist es nicht einfach, auf bis zu 40 Prozent des Nettolohns zu verzichten. Der Koalitionsausschuss vom 22. April hat sich deshalb darauf geeinigt, das Kurzarbeitergeld für Beschäftigte zu erhöhen, deren Arbeitsumfang sich mehr als halbiert hat. Danach wird das KuG gestaffelt ab dem 4. Bezugsmonat auf 70 Prozent (bzw. 77 Prozent für Haushalte mit Kindern) und ab dem 7. Monat auf 80 Prozent (bzw. 87%) erhöht. Darüber hinaus darf künftig in allen Berufen bis zur Höhe des ursprünglichen Einkommens hinzuverdient werden.
Bereits im März haben wir im Bundestag mehrere Gesetze beschlossen, um das Funktionieren des Gesundheitswesens bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite sicherzustellen und um die mit dieser besonderen Situation verbundenen negativen finanziellen Folgewirkungen in der Gesundheitsversorgung abzumildern.
In dieser Woche haben wir in zweiter und dritter Lesung ein zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage nationaler Tragweite beraten und am Donnerstag im Plenum verabschiedet. Mit dem Gesetz werden die bereits getroffenen Regelungen und Maßnahmen weiterentwickelt und ergänzt. Unter anderem soll die epidemiologische Überwachung verbessert und der öffentliche Gesundheitsdienst gestärkt werden. Testungen in Bezug auf Corona werden erleichtert und symptomunabhängig in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen. Außerdem schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass Beschäftigte in der Pflege einen finanziellen Bonus für ihre aufopferungsvolle Tätigkeit in dieser schwierigen Zeit erhalten.
Mich haben zu diesem Gesetz viele E-Mail von Bürgerinnen und Bürger erreicht. Grundsätzlich freue ich mich über jede Bürgerinnen und jeden Bürger, der/die das politische Handeln kritisch und konstruktiv hinterfragt. Das prinzipielle Misstrauen gegenüber politischen Entscheidungsträgern sowie eine partielle Feindseligkeit kann ich jedoch nicht nachvollziehen. Denjenigen kann ich nur raten, Ihre Informationsquellen sehr genau zu prüfen und evtl. weitere hinzuzuziehen, denn momentan sind sehr viele falsche Informationen über den Gesetzentwurf zum „Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ im Umlauf. Dieser ist auf der Seite des Bundestages und des zuständigen Bundesministeriums für Gesundheit öffentlich einsehbar: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/189/1918967.pdf.
Die oft kritisierten freiheitsbeschränkenden Maßnahmen sehe ich darin nicht. Auch die Angst vor einem sogenannten Immunitätsausweis wurde in den Schreiben, die mich erreichten, zum Ausdruck gebracht. Es ist richtig, dass von Bundesgesundheitsminister Spahn ein solcher Immunitätsausweis ins Spiel gebracht wurde. Diesem Vorschlag wurde von meiner SPD allerdings eine sehr deutliche Absage erteilt. Wir konnten unsere Position durchsetzen: Es wird diesen Ausweis nicht geben. Des Weiteren wird teilweise das Beschließen einer SARS-CoV-2-Impfpflicht befürchtet. Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Eine solche Impfpflicht stand nie im Gesetzentwurf. Zu keinem Zeitpunkt, auch nicht zwischen den Zeilen. Es wäre auch absurd, eine Impfpflicht im Bundestag zu beschließen, wo es doch bisher überhaupt keinen Impfstoff gibt. Aber auch dann, wenn wir einen Impfstoff haben und mehr über eine mögliche Immunität wissen, gilt für uns: Es darf keine Zwei-Klassen-Gesellschaft von Infizierten und Nicht-Infizierten geben. Und es kann und es wird keine Impfpflicht geben.
Damit verabschiede ich mich von Ihnen und Euch für diese Woche und wünsche ein erholsames und schönes Wochenende.
Ihr/Euer Rainer Spiering, MdB