Wochenbericht für die 41. Kalenderwoche 2020

Liebe Leserinnen und Leser meines Wochenberichts,

die zweite Sitzungswoche in Folge begann mit der AG Landwirtschaft. Dort diskutierten wir über das Gutachten „Politik für eine nachhaltigere Ernährung“ des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (kurz: WBAE). Für die Diskussion haben wir den an dem Gutachten beteiligten Wissenschaftler Prof. Spiller von der Georg-August-Universität Göttingen eingeladen. Er stellte uns das Gutachten vor und skizzierte zunächst die vier großen Herausforderungen einer nachhaltigeren Ernährung. Dies sind zum einen gesundheitliche sowie soziale Aspekte. Im Durchschnitt essen wir in Deutschland zu viel und zu wenig abwechslungsreich. Die Folge: ca. 50% der Erwachsenen sind Übergewichtig. Gleichzeitig herrscht auch in Deutschland eine Ernährungsarmut. Wenn wir uns die sozialen Bedingungen entlang der Wertschöpfungskette anschauen, stellen wir zudem fest, dass diese häufig problematisch sind.
Zum anderen stehen wir im Bereich Umwelt vor der Herausforderung, dass wir zentrale Umwelt- und Klimaschutzziele nicht erreichen und dass große Teile der Nutztierhaltung in Deutschland nicht mit den gesellschaftlichen Ansprüchen übereinstimmen. Das Gutachten des WBAE kommt zu dem Schluss, dass wir unsere Nachhaltigkeitsziele, die wir als Gesellschaft gesetzt haben, nur bei Einbeziehung von Landwirtschaft und Ernährung – also der Angebots- und Nachfrageseite – erreichen können. Denn das Ernährungsverhalten ist nicht nur das Ergebnis von bewussten und reflektierten Entscheidungen. Vielmehr hängt sie auch von der Ernährungsumgebung ab. Dazu zählen auch soziale und wirtschaftliche Einflüsse, welche auf unsere Entscheidungen einwirken. Was wir täglich in unsere Umgebung sehen, lenkt unsere Aufmerksamkeit und prägt, was wir als typisch und normal empfinden. Werbung und Angebote erfolgen allerdings häufig auf Produkte mit ungünstigem Nährwertprofil und schlechter Klimabilanz. Dabei ist Verbrauchern der weitreichende Einfluss der Ernährungsumgebung häufig nicht bewusst. Um eine Politik für eine nachhaltigere Ernährung zu gestalten, braucht es daher mehr konsumseitige Steuerungsimpulse. Dabei geht es nicht darum, dass der Staat in die Ernährungsverantwortung eines Einzelnen Eingreifen möchte, sondern vielmehr darum, den Verbrauchern mehr und leichtere Wahlmöglichkeiten für eine nachhaltigere Ernährung zu bieten und ihnen die notwendigen Informationen zu bieten. Eine faire Ernährungsumgebung fängt bereits bei unseren Kindern und Enkelkindern in der Kita und der Schule an.

In der Fraktionssitzung am Dienstag haben wir zunächst den Opfern des rechtsextremen und antisemitischen Anschlages in Halle vor einem Jahr gedacht.  Am 9. Oktober plante der Rechtsextremist ein Massaker in einer Synagoge. Über seine Helmkamera übertrug er die Bilder der Tat live ins Internet und erschütterte das Land. Leider war dieser Anschlag in der jüngsten Vergangenheit keine Ausnahme. Die Anschläge in Hanau und Halle, wie auch der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke und der Angriff auf einen jüdischen Studenten vor der Hamburger Synagoge am vergangenen Sonntag sind Teile einer besorgniserregenden Entwicklung. Es macht mich fassungslos, dass Morddrohungen und Angriffe von Rechtsextremen auf Politiker, politisch und gesellschaftlich engagierte Menschen, aber auch auf Rettungskräfte zu nehmen. Diese Taten sind ein Angriff auf unsere freiheitliche Demokratie. Und das geht uns alle etwas an, wir können diese Taten nicht hinnehmen. Wir müssen uns als Gesellschaft entschlossen gegen Rassismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus und menschenfeindliches Gedankengut vorgehen und unsere Werte verteidigen.

Im Vorfeld der Ausschusssitzung am Mittwochvormittag übergab die Westfälisch-Lippische Landjugend anlässlich des Erntedankfestes am 4. Oktober den Mitgliedern des Ausschusses die diesjährige Erntekrone. Mit der Erntekrone wird traditionell der ertragreichen Ernte gedankt. Wir haben uns sehr gefreut, dass es auch unter den diesjährigen Umständen möglich war, an der Tradition der Erntekrone festzuhalten. Anschließend wurde uns das Gutachten des WBAE auch im Ausschuss vorgestellt.
Im Anschluss an die Ausschusssitzung, verfolgte ich im Plenum die Befragung der Bundesregierung mit unserem Außenminister Heiko Maas.

Die Übergabe der Erntekrone

Am Donnerstag führte ich in meinem Büro ein Gespräch mit dem französischen Agrarattaché, Mathias Ginet. Wir sprachen über die Herausforderungen und Ziele der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik. Herr Ginet erzählte mir, dass Frankreich schon seit einiger Zeit die Prämienauszahlungen der GAP bei einer maximal Höhe von 100.000 Euro kappt. Ich denke, Deutschland könnte sich hieran ein Beispiel nehmen.
Am Nachmittag hielt ich meine Rede zum Direktzahlungen-Durchführungsgesetz. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich die gesetzliche Möglichkeit der Umschichtung von flächenbezogenen Direktzahlungen aus der ersten Säule der GAP in die zweite Säule, die die Entwicklung ländlicher Räume fördert. Ich nahm die Debatte zum Anlass, um nochmal auf die zerstörerische Kraft der Flächendirektzahlungen aufmerksam zu machen. Als einziger Sektor wird die Landwirtschaft seit Ende der 1950er Jahren stark subventioniert. Damals aus durchaus verständlichen Gründen. Doch heute schaffen die Subventionszahlungen Ungerechtigkeiten und fördern die Vermögensbildung einzelner außerlandwirtschaftlicher Flächeneigentümer bzw. Großinvestoren. Für mich ist es einfach unbegreiflich, warum wir an einem solchen System festhalten wollen. Bislang konnte mir darauf noch keine schlüssige Begründung gegeben werden. Es ist weder wirtschaftlich, noch ökologisch oder sozial. Ich werde nicht müde zu betonen, dass wir endlich ein grundsätzliches Umdenken der Agrarpolitik brauchen. Subventionen, die aus Steuergeldern generiert werden, müssen an die Interessen des Gemeinwohls geknüpft sein. Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen lautet die Devise. Statt den bloßen Flächenbesitz zu belohnen, sollten die Steuergelder für Umwelt-, Natur-, Klima- und Tierschutz und ländliche Entwicklung eingesetzt werden.

Freitag verbrachte ich größtenteils im Plenum, wo wir unter anderem über die Änderung des Bundeswahlgesetzes abstimmten. Mit der Änderung des Bundeswahlrechts soll die Vergrößerung des Bundestags begrenzt werden. Bei der Bundestagswahl 2025 wird die Anzahl der Wahlkreise von 299 auf 280 reduziert. Zudem soll bereits für die nächste Bundestagswahl gelten, dass mit dem Ausgleich von Überhangmandaten – diese entstehen, wenn es mehr Direktmandate (Erststimme) als über die Zweitstimme gewonnenen Mandate gibt – erst nach dem dritten Überhangmandat begonnen wird. Zudem sollen Überhangmandate, die einem Bundesland entstehen, wenn eine Partei dort mehr Direktmandate erringt als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen, mit Listenplätzen der Partei in anderen Ländern teilweise verrechnet werden.
Um den Parteien auch in Zeiten der Pandemie die Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahl 2021 zu ermöglichen, wird zudem geregelt, dass im Fall einer Naturkatastrophe oder eines ähnlichen Ereignisses höherer Gewalt die Benennung von Wahlbewerbern unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Versammlung möglich ist. Bislang mussten Parteien dafür zwingend Parteitage oder vergleichbare Versammlungen einberufen.
Im Anschluss an die letzte namentliche Abstimmung ging es für mich direkt in die Heimat.

Ich wünsche Ihnen und Euch ein erholsames Wochenende!

Ihr/Euer Rainer Spiering, MdB