Liebe Leserinnen und Leser meines Wochenberichts,
meine erste Sitzungswoche in diesem Jahr begann mit einem Fachgespräch zu dem Thema Risikomanagement in der Landwirtschaft. Die Agrar-, Gartenbau- und Forstbetriebe sind seit Jahren zunehmend wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt, die sie selbst kaum beeinflussen können. Wetterkapriolen wie Starkregen, langanhaltende Trockenheit oder orkanartige Stürme nehmen an Intensität und Häufigkeit zu und beeinträchtigen zunehmend die Herstellung von nachwachsenden Rohstoffen. Die extremen Ernteeinbußen signalisieren, dass der Klimawandel nicht irgendwann kommt, sondern bereits heute erkennbare Spuren und Auswirkungen hinterlässt. Die Dürre im Sommer 2018 hat mehr als verdeutlicht, dass die Landwirtschaft sich nicht länger dieser neuen Realität entziehen kann. Um dem Klimawandel und dessen Folgen besser trotzen zu können, muss sich die Landwirtschaft auf verschiedene Weisen besser auf die Auswirkungen der Wetterextreme einstellen.
Gleichzeitig kann nicht erwartet werden, dass der Steuerzahler bzw. der Staat bei jeder Umsatzkrise den Sektor unterstützt. Dies widerspräche dem verfassungsrechtlich verankerten Gleichbehandlungsgebot. Daher kann ich auch den Forderungen einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage für landwirtschaftliche Betriebe seitens der Union, FDP und Linken nicht zustimmen. Denn bereits jetzt wird die Landwirtschaft im Steuerrecht gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen bevorzugt behandelt. Aus diesem Grund schlage ich einen nationalen Agrarfonds der Landwirtschaft vor. Im Falle von künftigen „Wetterereignissen nationalen Ausmaßes“ sollen Landwirtinnen und Landwirte nur dann finanzielle Mittel erhalten, wenn sie zuvor einen Anteil ihrer Subventionen freiwillig in einen sog. Nationalen Agrar-Fonds (NAF) eingezahlt haben. Ein derartig gestalteter, nationaler Agrarfonds würde nach dem Prinzip der solidarischen Hilfe zur Selbsthilfe der landwirtschaftlichen Betriebe untereinander fungieren und sie zugleich unabhängiger von nationalen bzw. europäischen Steuerzahlungen machen.
Im Anschluss an das Fachgespräch fand die Klausur unserer AG Landwirtschaft statt. Wir nutzten den Jahresbeginn, um unsere landwirtschaftspolitische Ausrichtung zu evaluieren und kommende Vorhaben zu planen.
In der Fraktionssitzung am Dienstag stand die in Berlin mit Spannung erwartete Brexit-Abstimmung im britischen Unterhaus im Vordergrund. Bereits am 29. März 2019 tritt das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union aus. In einem langen Prozess haben die Europäische Union und die britische Regierung daher ein Austrittsabkommen verhandelt. Dieses sieht vor, dass nach dem formalen Austritt Ende März eine Übergangsphase beginnt, in der Großbritannien bis Ende 2020 weiter wie ein Mitgliedsstaat behandelt wird, aber in den Entscheidungsprozessen auf EU-Ebene keine Mitsprache mehr hat. Das britische Unterhaus stimmte am Dienstagabend gegen die Vereinbarung. Nun muss das Vereinigte Königreich einen Ausweg aus dieser innenpolitischen Krise finden. Wie dieser aussehen wird, wissen wir nicht. Dennoch müssen auch wir Rechtsklarheit für die Zeit nach dem 29. März schaffen. Daher werden wir am Donnerstag im Plenum das sogenannte Brexit-Übergangsgesetz verabschieden. Es sieht vor, dass, wenn im Bundesrecht von den EU-Mitgliedstaaten die Rede ist, auch Großbritannien dazu zählt, sofern keine der im Austrittsabkommen genannten Ausnahmen greift. Das Gesetz entfaltet allerdings nur Wirksamkeit, sofern das Austrittsabkommen ratifiziert wird. Da dies bislang noch ungewiss bleibt und wir uns auf alle Eventualitäten vorbereiten müssen, beraten wir in den nächsten Wochen auch Gesetze für den Fall eines ungeregelten Brexit im Parlament.
Am Abend fuhr ich ins Umweltministerium, wo ich am Agrarkongress 2019 teilnahm. Unter dem Motto „schützen.nutzen.leben – Gemeinsam für mehr Vielfalt“ diskutierte ich mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft über die gesellschaftlichen Erwartungen in der aktuellen Debatte zur Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).

Anlässlich der internationalen Agrarmesse Grüne Woche, die am Donnerstag beginnt, veranstaltete die SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des Europäischen Parlaments eine Diskussionsveranstaltung zum Thema sozialdemokratische Landwirtschaftspolitik. Gemeinsam gingen wir der Frage nach, wie ein nachhaltiges Landwirtschaftsmodell für Deutschland im Jahre 2030 aussehen könnte und welche politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür von Nöten sind.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erinnerte im Plenum am Donnerstag an die Einführung des Frauenwahlrechts. Denn vor 100 Jahren am 19. Januar 1919 durften Frauen das erste Mal in Deutschland an der Wahl zur verfassungsgebenden Weimarer Nationalversammlung teilnehmen. Sie waren nicht nur stimmberechtigt, sondern konnten sich auch selbst zur Wahl aufstellen lassen. Dies ist ein Meilenstein in der Geschichte der Demokratie in Deutschland. Und eine der zentralen Errungenschaften in der über 150-jährigen Geschichte der SPD. Denn es waren mutige Sozialdemokratinnen wie Marie Juchacz, Clara Zetkin und Luise Zietz, die das aktive und passive Wahlrecht für Frauen erkämpft und damit den Weg bereitet haben für weitere Meilensteine in der Frauen- und Gleichstellungspolitik. Bundestagspräsident Schäuble erinnerte aber auch an die nach wie vor bestehenden Herausforderungen rund um die Gleichberechtigung und politische wie gesellschaftliche Teilhabe von Frauen.
Am Abend ging es dann zur Eröffnungsfeier der Internationalen Grünen Woche.
Im Plenum wurde am Freitag der Antrag der Koalitionsfraktionen „Gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken – Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land gewährleisten“ beraten. Die Herausforderungen des ländlichen Raums sind vielfältig. Über den demographischen Wandel hinaus haben ländliche Regionen in Deutschland durch den Klimawandel und die noch nicht ausreichende Versorgung mit schnellem Internet und flächendeckender Mobilfunkversorgung Probleme. Um die Zukunftsfähigkeit der ländlichen Regionen und damit die Lebensqualität vor Ort zu erhalten und zu verbessern und gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu schaffen, müssen wir diese Probleme lösen. Menschen leben gerne in einer Region, wenn sie dort gute Arbeit finden und eine funktionierende Infrastruktur für ihre alltäglichen Bedürfnisse haben.
Am späten Nachmittag fuhr ich zurück auf die Grüne Woche. Neben zahlreichen Gesprächen mit Vertretern aus der Landwirtschaft und Verbänden, wurde ich für die Sendung „Bericht aus Berlin“ zur Agrarpolitik interviewt. Wer sich das Interview im Fernsehen anschauen möchte, kann dies gerne am Sonntag um 18:30 Uhr im Ersten tun.
Bevor es für mich zurück in die Heimat geht, werde ich am Samstagnachmittag im Rahmen der Grünen Woche an einer weiteren Podiumsdiskussion teilnehmen. Dabei wird es um die Frage gehen, was aus politischer Sicht getan werden muss, um junge Menschen von einer Zukunft als Landwirtin bzw. Landwirt zu überzeugen.
Ich wünsche Ihnen und Euch ein erholsames und schönes Wochenende!
Ihr/Euer Rainer Spiering, MdB