Wochenbericht für die 25. Kalenderwoche 2021

Liebe Leserinnen und Leser meines Wochenberichts,

bevor der parlamentarische Betrieb in die Sommerpause geht, ging es noch ein letztes Mal in die Bundeshauptstadt. Diese Woche war für mich in vielerlei Hinsicht besonders, denn für mich war es die letzte Sitzungswoche als Bundestagsabgeordneter. Am 26. September wählen die Bürger*innen ein neues Parlament und wie einige vielleicht bereits wissen, kandidiere ich nicht erneut.
Und so ging es für mich am Montag zu meiner letzten Sitzung der AG Landwirtschaft. Nach über einem Jahr digitaler Diskussionen, war es in dieser Woche möglich, eine Präsenzsitzung durchzuführen. Es war schön, mich mit meinen Kolleg*innen wieder von Angesicht zu Angesicht zu unterhalten. Seit der letzten Bundestagswahl 2017 habe ich die AG als agrarpolitischer Sprecher leiten dürfen. In dieser Zeit haben wir gemeinsam viel erreicht. Für das entgegengebrachte Vertrauen und die stets konstruktive und gute Zusammenarbeit habe ich mich bei allen Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen bedankt.

In der Fraktionssitzung am Dienstagnachmittag sprachen wir unter anderem über einen Antrag zur Geschäftsordnung des Bundestages, der in dieser Woche in 2./3. Lesung beraten wird. Da das Infektionsgeschehen aufgrund von neuen Mutationen weiterhin angespannt ist, soll der Paragraf 126a GO-BT bis zum Ende der Wahlperiode verlängert werden. Der Paragraf sieht Sonderregeln für die Beschlussfähigkeit des Bundestages und der Ausschüsse vor. Um die Arbeitsfähigkeit des Parlaments während der Pandemie sicherzustellen und damit Abstandsregeln eingehalten werden können, gelten Plenum und Ausschüsse als beschlussfähig, wenn mehr als 25 Prozent (statt 50 Prozent) seiner Mitglieder anwesend sind. Wir sprachen auch darüber, dass es derzeit nicht ausgeschlossen ist, dass während der Sommerpause Sondersitzungen der Ausschüsse notwendig werden. Natürlich haben wir auch in der Fraktion die Zeit genutzt, um uns von allen ausscheidenden Abgeordneten zu verabschieden und über die Bilanz der sozialdemokratischen Politik in dieser Legislaturperiode zu sprechen. In den vergangenen dreieinhalb Jahren waren es wir Sozialdemokrat*innen, die für Fortschritt gesorgt und das Land sicher durch die Corona-Krise gesteuert haben: Wir haben Millionen Jobs gesichert, die Wirtschaft stabilisiert – mit dem krisenerprobten Kurzarbeitergeld, mit milliardenschweren Hilfspaketen für Unternehmen und einem Konjunkturprogramm auf Rekordniveau. Wir haben mit einem Klimaschutzprogramm die Tür zur klimaneutralen Gesellschaft weit geöffnet – und zwar so, dass die Treibhausgasreduktion nicht vor allem auf Kosten derjenigen geht, die ohnehin scharf rechnen müssen. Wir haben die Grundrente eingeführt, für höhere Löhne in den Pflegeberufen gesorgt und vor allem die unteren und mittleren Einkommen entlastet, indem wir etwa den Soli für 90 Prozent der Beschäftigten abgeschafft haben. Wir haben die Rechte von Arbeitnehmer*innen gestärkt, schlechte Arbeitsverhältnisse verboten, den Familien unter die Arme gegriffen. Bei all dem ging es uns immer um den Respekt vor jedem und jeder Einzelnen. Das alles haben wir geschafft – vieles gegen den erbitterten Widerstand von CDU/CSU. Im Unterschied zur Union wissen wir, dass Gerechtigkeit keine hohle Phrase ist, sondern die Grundlage für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

Am Mittwochvormittag ging es in die Ausschusssitzung. Auch wenn sich meine Zeit als Bundestagsabgeordneter langsam dem Ende zuneigt, habe ich die Sitzung genutzt, um auf ein, wie ich finde, sehr wichtiges Thema aufmerksam zu machen: das Recht auf eine angemessene Ernährung. Cristiano Ronaldo hat es vorgemacht: Sein Coca-Cola-Boykott auf einer Pressekonferenz sorgte weltweit für ein Riesenspektakel. Auf der einen Seite ein PR-Supergau für den größten Getränkehersteller. Auf der anderen Seite eine Botschaft an Groß und Klein: „Aqua“ statt Zucker. Ein Fußballer mit 300 Millionen Followern kann mit einer kleinen Geste ernährungspolitisch die Welt verändern. In der Politik geht das leider nicht so einfach. Aber es ist höchste Zeit zum Umdenken bei Ernährung und Landwirtschaft: Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen und für Chancengleichheit zu sorgen sind Schwerpunkte sozialdemokratischer Politik. Alle Kinder haben das Recht auf eine angemessene Ernährung. Daher brauchen wir eine ausgewogene, gesunde und nachhaltige Schul- und Kitaverpflegung. Diese soll flächendeckend beitragsfrei eingeführt werden. Hierbei ist konsequent auf die Verwendung regionaler und, wo möglich, ökologisch erzeugter Produkte zu achten. Entsprechende Kriterien sollen in öffentlichen Ausschreibungen verankert werden. Die geschätzten Mehrausgaben für die öffentliche Gemeinschaftsverpflegung liegen bei rund 6 Milliarden Euro pro Jahr. Dieses Geld soll von staatlicher Seite zur Verfügung gestellt und zielgerichtet eingesetzt werden. Gerade der Start unserer Kinder in ein gesundes Leben muss uns diese Ausgaben wert sein! Die Förderung der Gemeinschaftsverpflegung führt zu einer deutlichen Steigerung der Nachfrage und stärkt regionale Erzeugung und Verarbeitung. So entstehen ressourcenschonende geschlossene Nährstoffkreisläufe. Nur auf diesem Wege können wir fruchtbare Böden, biologische Vielfalt, reine Luft und sauberes Wasser für nachfolgende Generationen erhalten. Dies alles kann nur gelingen, wenn die Wertschöpfung bei den Betrieben vor Ort bleibt. Wir vertrauen hier nicht dem freien Spiel des Marktes, sondern fördern über die Nachfrage der öffentlichen Hand gezielt regionale Wirtschaftskreisläufe

Zu Gast bei der Ausschusssitzung war auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner
Zu Gast bei der Ausschusssitzung war auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner

Am Mittwochnachmittag wurde ich vom Arbeitskreis Nachhaltige Strukturpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung eingeladen, um über die Arbeit und Ergebnisse der von mir initiierten Berliner Runde zu sprechen. In unserem letzten Diskussionspapier haben wir uns mit dem Thema Nährstoffwende beschäftigt. Die Nährstoffwende treibt mich schon seit einigen Jahren um, denn ich sehe, wie zu viele Tiere zu viel Gülle auf engem Raum produzieren und damit Umweltschäden verursachen. Das Nährstoff- und Agrarsystem wird derzeit weder auf lokaler, nationaler noch auf globaler Ebene nachhaltig betrieben. Die sozioökonomischen Belastungsgrenzen der Erde werden aktuell und im Rahmen des linear-wirtschaftenden Produktionssystems in vielerlei Hinsicht überschritten und die Landwirtschaft trägt erheblich dazu bei. Wir verbrauchen zu viele Ressourcen an Ackerfläche, Wasser und Nährstoffen, die anderen Menschen nicht mehr zur Verfügung stehen. Wir müssen die Verantwortung für unseren Konsum übernehmen und an die nachfolgenden Generationen denken. Auch unsere Enkel sollen sich noch gesund ernähren können. Dafür brauchen sie intakte Böden und Gewässer. Die erforderliche Umgestaltung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist gleichzeitig eine globale Notwendigkeit und eine lokale Herausforderung. In meinem Vortrag machte ich deutlich, warum die Nährstoff- und Agrarwende ein wichtiges Thema für die Sozialdemokraten ist und wie ein Projekt zur Nährstoffwende im AK Nachhaltige Strukturpolitik aussehen könnte. Ich plädierte für eine kostenlose und regional produzierte Kita- und Schulspeisung. Denn diese ist sozial gerecht, fördert die Gesundheit der Kinder und schafft planbare Absatzmöglichkeiten für die Erzeuger.

Neben vielen wichtigen Gesetzen wurde im Bundestag am Donnerstag das Insektenschutzgesetz verabschiedet. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass hierzulande die Insektenpopulationen immer stärker abnehmen. Dabei kommt ihnen eine bedeutende Rolle in den Ökosystemen zu: Sie stehen am Anfang der Nahrungskette und sorgen durch Bestäubung dafür, dass Pflanzen befruchtet und Samen ausbildet werden können. Zudem leisten sie einen wichtigen wirtschaftlichen Beitrag zur Bestäubung von Nutzpflanzen. Um die Lebensbedingungen von Insekten zu verbessern, sieht das Gesetz die Aufnahme von Streuobstwiesen, artenreichem Grünland, Steinriegeln und Trockenmauern in den Kreis der gesetzlich geschützten Biotope vor. Außerdem dürfen bestimmte Schädlingsbekämpfungsmittel (Biozide) in Schutzgebieten nicht eingesetzt werden. Weil mehr als die Hälfte der Insekten nachtaktiv ist, wird künftig in Schutzgebieten der Neubau von Straßenbeleuchtungen sowie von leuchtenden Werbeanlagen verboten. In einem Änderungsantrag wird zudem klargestellt, dass Länderregelungen wie z.B. der „Niedersächsische Weg“ weiterhin Bestand haben.

Nachdem ich am Freitagmittag die Debatten im Plenum verfolgte, ging es für mich zurück in die Heimat. Es war eine sehr bewegende und emotionale Woche. Ich bin zutiefst dankbar, dass ich die Möglichkeit erhalten habe, die Bürger*innen aus dem Landkreis Osnabrück in Berlin vertreten zu dürfen und sozialdemokratische Politik auf Bundesebene zu gestalten. In diesen nun mehr acht Jahren habe ich viele neue und interessante Personen und Persönlichkeiten kennengelernt, viele anregende und inhaltsreiche Gespräche geführt. Die Zeit im Bundestag war für mich eine absolute Bereicherung und ich bin dankbar für die große Menschlichkeit und Herzlichkeit, die ich in diesen Jahren erlebt habe. Für den bevorstehenden Wahlkampf wünsche ich meinen Kolleg*innen der SPD-Bundestagsfraktion viel Kraft und Ausdauer und wünsche mir, dass wir auch in Zukunft sozialdemokratische Politik gestalten werden.

Ich wünsche ein erholsames und sonniges Wochenende. Bleiben Sie/bleibt gesund.

Ihr/Euer Rainer Spiering, MdB