Wochenbericht für die 19. Kalenderwoche 2019

Liebe Leserinnen und Leser meines Wochenberichts,

nach einer etwas längeren Pause vom politischen Berlin ging es für mich bereits am Sonntagvormittag zu einer Klausurtagung zum Thema Klimaschutz in die Bundeshauptstadt.

Am nächsten Tag reiste ich nach Düsseldorf, wo ich mich mit dem Landtagsabgeordneten und umweltpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, André Stinka, traf. Thema war die längst überfällige Novellierung des Düngerechts. Auch das Bundesland NRW ist mit den Umweltfolgen einer chronischen Überdüngung von Böden konfrontiert. In vielen Teilen NRWs wird mehr Gülle auf den Feldern ausgebracht, als Pflanzen und Böden aufnehmen können. Dadurch werden die Böden in zahlreichen Gebieten erheblich belastet. Diese Form der Landbewirtschaftung ist eine Gefahr für unsere wichtigste Lebensgrundlage: das Wasser.
Insgesamt sind rund 40 Prozent der Grundwasserkörper betroffen, aus denen ohne entsprechende Aufbereitung keine Gewinnung von sauberem Trinkwasser mehr möglich ist. André und ich waren uns einig, dass der Schlüssel für einen nachhaltigen Gewässerschutz – neben einer ganzheitlichen Reform des Düngerechts – regionale Nährstoffkreisläufe sind. Das bedeutet, dass wir in Deutschland wieder zurück zu einer flächengebundenen Tierhaltung kommen müssen. Ich kann es nicht oft genug sagen: Der umfassende Schutz von Wasser, Luft, Boden und Klima sowie der Erhalt der Artenvielfalt muss eine Selbstverständlichkeit der deutschen Agrarpolitik werden.

Wieder zurück in Berlin ging es direkt weiter mit unserer AG-Sitzung. Zu Gast waren Herr Guido Zeitler, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten (Kurz: NGG), sowie der Leiter des Hauptstadtbüros, Herr Micha Heilmann. Themen waren unter anderem die Nährwertkennzeichnung sowie die Arbeitsbedingungen in den Schlachtbetrieben.

Am Dienstagvormittag besuchte ich den vom Naturschutzbund initiierten NABU-Europatalk, der sich mit der Frage befasste, wie eine zukünftige naturverträgliche EU-Agrarpolitik umgesetzt werden kann. In einer spannenden Paneldiskussion diskutierten die Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien, ob und wie sie diese im künftigen EU-Parlament umsetzen wollen.
Am Nachmittag folgte die Fraktionssitzung, in der wir uns über den Entwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes unterhielten. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll ein einheitlicher Fachkräftebegriff geschaffen werden, der nicht nur Fachkräfte mit akademischer Ausbildung umfasst, sondern auch solche mit qualifizierter Berufsausbildung. Anders als bisher dürfen Fachkräfte mit beruflicher Qualifikation nicht mehr nur in bestimmten Berufen mit Engpässen, sondern in allen Berufen, zu der sie ihre Qualifikation befähigt, arbeiten. Fachkräfte mit Berufsausbildung können bis zu sechs Monate zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland kommen. Auch die Suche nach einem Ausbildungsplatz soll unter bestimmten Voraussetzungen künftig bis zu sechs Monate möglich sein. In beiden Fällen ist allerdings eine komplett eigenständige Lebensunterhaltssicherung notwendig. Darüber hinaus werden auch bessere Perspektiven auf einen unbefristeten Aufenthalt für Fachkräfte geschaffen. Zudem sollen Qualifizierungsmaßnahmen in Deutschland effizienter und einfacher gestaltet werden, um Hürden bei der Anerkennung von Fachkräften abzubauen.

Im Landwirtschaftsausschuss sprachen wir vor allen Dingen über den aktuellen Stand der Dürrehilfe-Auszahlungen. Der Sommer 2018 war in Deutschland durch eine außergewöhnlich lange, extreme Hitzewelle, verbunden mit einer starken Trockenheit, geprägt. Dies führte zu deutlichen Ertragsverlusten in Teilen der Landwirtschaft. Darum haben wir uns im letzten Jahr mit den Ländern auf ein Hilfsprogramm geeinigt, zum Teilausgleich dürrebedingter Schäden für in der Existenz gefährdete landwirtschaftliche Unternehmen. Dafür hatten Bund und Länder bis zu 340 Millionen Euro zugesagt. Davon entfielen 170 Millionen Euro auf den Bund.

Bislang wurden von den bereitgestellten Bundesmitteln nur rund 82 Millionen Euro abgerufen. Zwar wurden noch nicht alle Anträge auf Hilfe abschließend bearbeitet, aber dennoch ist abzusehen, dass die Bundesmittel voraussichtlich nicht voll ausgeschöpft werden. Die verbleibenden Mittel von rund 88 Millionen sollen nun für eventuelle Dürreschäden im kommenden Sommer bereitstehen.

Im Gespräch mit Prof. Taube
Im Gespräch mit Prof. Taube

Anschließend traf ich mich mit dem derzeit führenden Agrarforscher im Bereich Dünge, Prof. Friedhelm Taube vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an der Universität Kiel. Mit ihm sprach ich über den derzeitigen Sach- und Verfahrensstand der geplanten Novellierung der Düngeverordnung. Prof. Taube und ich waren uns darin einig, dass das neue Düngerecht ehrlich und effizient werden muss, um unsere Gewässer zu schützen und drohende  Strafzahlungen in Milliardenhöhe zu verhindern. Darüber hinaus müssen getätigte Agrarsubventionen einen Mehrwert für die Gesellschaft haben. Die Zeiten, in denen Steuergelder für Ernährungssicherheit ausgegeben wurden, sind zum Glück vorbei. Nun müssen wir den wirklichen Herausforderungen, wie dem Klimaschutz und dem Erhalt der Artenvielfalt, begegnen. Es ist schon längst nicht mehr nur fünf vor zwölf. Warum, seht ihr hier: https://www.ipbes.net/news/ipbes-global-assessment-summary-policymakers-pdf

Nach diesem spannenden und aufschlussreichen Gespräch, nahm ich am forstpolitischen Fachgespräch der SPD-Bundestagsfraktion teil. Angesichts der Klimaveränderungen und den daraus resultierenden Folgen für den Wald, gingen Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik der Frage nach, wo Deutschland im Forst- und Holzbereich derzeit steht. Einig waren sich alle geladenen Gäste, dass der Wald ein Ort der biologischen Vielfalt, ein Arbeitgeber, ein Erholungsraum, eine Klimasenke und ein wichtiger Wirtschaftssektor im ländlichen Raum ist und bleiben muss. Gerade deshalb müssen wir dieses Multitalent schützen und stärken.

Paneldiskussion der Digital Farming Conference 2019 zum Thema „Wie erreichen wir eine vernetzte Landwirtschaft?“
Paneldiskussion der Digital Farming Conference 2019 zum Thema „Wie erreichen wir eine vernetzte Landwirtschaft?“

Am Donnerstag war ich auf dem Podium der Digital Farming Conference. Im Mittelpunkt der eintägigen Konferenz stand die Digitalisierung in der Tierhaltung, in der Pflanzenproduktion sowie der gesamten Wertschöpfungskette vom Erzeuger bis zum Verbraucher. Gemeinsam mit den Experten und Entscheidern aus der Agrar- und Digitalwirtschaft, der Gesellschaft, aus Wissenschaft und Politik wurde über die neuesten Entwicklungen rund um die Landwirtschaft 4.0 diskutiert. Zurück im Bundestag verfolgte ich am Abend die Plenardebatte zum Fachkräfteeinwanderungsgesetzes.

Vor dem Hintergrund des kürzlich veröffentlichten Berichts des Weltbiodiversitätsrates fand am Freitag im Plenum eine Aktuelle Stunde statt, in der auch ich reden durfte. Der am Montag in Paris vorgestellte Bericht des Rates machte deutlich, dass sich der Zustand der Natur dramatisch verschlechtert. Bei mir zu Hause würde man sagen: „Jetzt haben wir den Salat“ – Die Wissenschaft hat belegt: Es gibt ein „massives Artensterben mit absolut unabsehbaren Konsequenzen“. Wir haben natürliche Lebensräume nachhaltig zerstört. Die Biene ist dafür nur ein Indikator. Die Frage, die sich mir stellt, ist vor allem, warum und wofür? Eine Antwort: Deutschland ist von einem Selbstversorger zu einem Agrarexporteur geworden. Der drittgrößte der Welt. Konsequenz ist die gigantische Einfuhr von Rohstoffen zur maximalen Ertragssteigerung, nachweislich regionale Überdüngung und das „Auspowern“ unserer Böden. Klage ich die Landwirte an? Nein, aber den Deutschen Bauernverband und die Profiteure in den großen Gesellschaften sowie ihre Vertreter im Deutschen Bundestag. Doch wir müssen uns damit nicht abfinden! Nach dem Beginn der Energiewende brauchen wir endlich auch eine Agrarwende. Das bedeutet: Wir müssen weg von der bedingungslosen Eigentumsförderung und hin zur Förderung von öffentlicher Leistung. Wir müssen weg vom Prinzip „Wachsen oder Weichen“, weg von der Ertragsmaximierung und hin zu einem nachhaltigen Ertragsniveau. Weg von der Überdüngung, hin zu einer effektiven und tatsächlich bedarfsgerechten Düngung. Über eines müssen sich alle im Klaren sein: Spätestens seit dem Bericht vom Montag wird die öffentliche Aufmerksamkeit und Empörung bei Fehlverhalten noch stärker steigen. Wir haben die Antworten. Nun müssen wir liefern! Wer sich meine Rede in voller Länge anhören möchte, kann dies hier tun: https://dbtg.tv/fvid/7353436

Ich wünsche Ihnen und Euch ein erholsames und sonniges Wochenende!

Ihr/Euer Rainer Spiering, MdB