Von Bauernregeln hin zu wissenschaftsbasierter Landwirtschaft

Rainer Spiering, agrarpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

Um Strafen in Milliardenhöhe für die deutsche Gesellschaft aufgrund der permanenten Verletzung der EU-Nitratrichtlinie zu verhindern, muss das deutsche Düngerecht endlich transparenter und ehrlicher werden. Dies haben mir Wissenschaftler, Praktiker und Vertreter der Landwirtschaftskammer in etlichen Gesprächen deutlich gemacht. Das fängt damit an, dass mit der anstehenden Reform des Düngerechts alle betroffenen Behörden, von den Dünge- oder Wasser-, aber auch Kataster- oder Baubehörden, über Bundesländergrenzen hinweg automatisch und digital ihre Daten miteinander abgleichen sollten. Dies ist bisher nicht der Fall. Es kann nicht länger sein, dass alle Behörden fleißig nach Brüssel alle relevanten Daten übermitteln, aber bei uns die linke Hand nicht weiß, was die andere Hand tut. Erst wenn alle Daten bei allen verfügbar sind, kann genau bestimmt werden, wie man vor Ort die Nitratbelastung reduzieren kann. Letztendlich hilft dies der Glaubwürdigkeit gegenüber der EU-Kommission und würde die Wertschätzung für rechtschaffende Landwirte wieder wachsen lassen.

v.l.n.r.: Prof. Dr. Henning Kage (Uni Kiel), Herr Bernhard Osterburg (Thünen-Institut) Stefan Ortmann (Landwirtschaftskammer Niedersachsen) Präsident der Landwirtschaftskammer Herr Gerhard Schwetje Dr. Gerhard Baumgärtel (Landwirtschaftskammer Niedersachsen)

Das Problem ist, dass Deutschland die Zeit wegläuft und wir die EU-Kommission nicht weiter hinhalten sollten. Seit Jahren verstößt Deutschland gegen EU-Recht, seit dem Urteil im Juni 2018 hatte das Bundeslandwirtschaftsministerium zwei Jahre Zeit, um das Düngerecht nachzujustieren. Doch erst Ende Januar 2019, also sieben Monate später, wurde ein erster Entwurf zur EU-Kommission geschickt. Dass nun der Zeitdruck so groß ist, hat das Bundeslandwirtschaftsministerium zu verantworten.

Daher müssen bei dieser Reform des Düngerechts im Gegensatz zu 2017 unverfälschte, ehrliche wissenschaftliche Erkenntnisse Einzug halten. Das umschließt eine Meldepflicht der Betriebe sowie ein realistischer und ehrlicher Düngebedarf je nach Kultur und natürlicher örtlicher Beschaffenheit. Dabei darf das Grünland nicht als Gülleentsorgungsstätte enden. Auch muss es für Regionen mit einem niedrigen Viehbesatz attraktiver werden statt mineralischen organischen Dünger aufzunehmen. Dafür muss auch der Handel mit mineralischen Dünger in der Bilanzierung mit erfasst und kontrolliert werden. All dies ist mit einfachen digitalen Angeboten leicht zu organisieren.

Ich appelliere daher an den Bund und die Länder, stärker auf die Wissenschaft als auf den Bauernverband zu hören. Das Wissen und die Informationen sind vorhanden. Nur oftmals werden sie nicht angewandt beziehungsweise Verbandsinteressen geopfert. Dies muss sich endlich ändern. Deutschland ist weltweiter Technologieführer. Dies muss auch bei der Landwirtschaft gerade im Bereich smart und precision farming werden.