Liebe Leserinnen und Leser meines Wochenberichts,
seit mehreren Wochen ist das Leben, so wie wir es kannten, zum Erliegen gekommen. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen sind vielschichtig und betreffen alle Menschen in ganz unterschiedlichem Maße. Derzeit arbeiten alle staatlichen Ebenen daran, die negativen sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzumildern. Gleichzeitig geht es darum, Perspektiven für die Zeit nach der Pandemie aufzuzeigen. Dabei sollten wir uns stets bewusst sein, dass niemand, auch nicht die Virologinnen und Virologen, nicht die Ökonominnen und Ökonomen und auch nicht wir Politikerinnen und Politiker, die nächsten Wochen und Monate mit Sicherheit vorhersehen können. Wir müssen die Situation ständig neu bewerten und auch vor Fehleinschätzungen sind wir nicht gefeit. Vergangenen Mittwoch haben sich Bund und Länder neben den weiterhin geltenden Kontaktbeschränkungen in einem ersten Schritt darauf geeinigt, bestimmte Geschäfte und öffentliche Einrichtungen in begrenztem Rahmen wieder öffnen zu können. Nun gilt es, wachsam zu bleiben. Im Bundestag haben wir in dieser Sitzungswoche über den Weg aus der Krise und über Hilfen für Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft intensiv debattiert.
Und so begann meine Woche am Montag mit einer Videokonferenz der Projektgruppe 5 der Enquete-Kommission „Berufliche Bildung“. Im Fokus der Sitzung stand die Frage, was die duale Berufsbildung aus Sicht der Auszubildenden attraktiv macht. Dazu wurde der DGB-Jugendgeneralssekretär aus Sachsen Anhalt, Fabian Pfister, eingeladen. Er stellte uns die Ergebnisse des letzten Jugendausbildungsreports 2019 vor. Im Rahmen des Jugendausbildungsreports befragt die DGB-Jugend jedes Jahr tausende Auszubildende in Deutschland zu ihrer Ausbildungssituation. Im Gespräch wurde deutlich, dass mit 70% zwar ein relativ großer Teil der Befragten zufrieden mit ihrer Ausbildung sind, sich allerdings Unterschiede in der Zufriedenheit der Auszubildenden vor allen Dingen zwischen den jeweiligen Ausbildungsberufen und -branchen durch regionale Unterschiede und Vergütungsunterschiede ergeben. Klar wurde auch, dass wir endlich attraktive Mobilitätstarife für Auszubildende brauchen.
Anschließend ging es für mich nach Berlin.
In der Fraktionssitzung am Dienstag besprachen wir die anstehenden Beratungen und Gesetzesvorhaben. Die Corona-Pandemie stellt uns alle in jeder Hinsicht vor große Herausforderungen. Mich haben die vielen Geschichten und die kreativen Ideen der Menschen, die trotz der Pandemie ihre Mitmenschen unterstützen, beeindruckt. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten war und ist Solidarität ein wichtiger Grundpfeiler unseres Zusammenlebens, umso schöner ist es zu sehen, wie hilfsbereit und umsichtig viele sich in dieser Zeit verhalten. Und es zeigen sich erste Erfolge. Die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen sinkt leicht und es ist bislang nicht zu Engpässen bei Intensivbetten gekommen.
Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat sich mit der Frage beschäftigt, wie wir in diesen Zeiten solidarisch sein können. In diesem Zusammenhang war es für uns selbstverständlich, dass die Bundestagsabgeordneten dieses Jahr auf eine Erhöhung ihrer Diäten verzichten sollten. Aus unserer Sicht ist es angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Probleme, die tausende von Menschen belastet, unangemessen, die Diäten der Abgeordneten wie in jedem Jahr an die Lohnentwicklung anzupassen. Dafür haben wir uns als SPD-Bundestagsfraktion erfolgreich stark gemacht.
Ein weiteres Thema, das mich in dieser Woche beschäftigt hat, war die Umsetzung der von der sogenannten Borchert-Kommission im Februar vorgelegten Empfehlungen für einen langfristigen Umbau der Nutztierhaltung. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass diese Ergebnisse und Empfehlungen vom Bundeslandwirtschaftsministerium endlich aufgegriffen werden und in eine Verordnung für die Praxis umgesetzt werden. Wir haben unsere Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU hierzu einen Antragsentwurf vorgelegt, mit dem wir die Regierung auffordern die Empfehlungen der Borchert-Kommission als Grundlage für weitere Diskussion hin zu einer zukunftsfesten Neuausrichtung und stabilen Finanzierung der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Deutschland zu nutzen. Leider benötigt unser Koalitionspartner etwas mehr Zeit, um intern die Bedeutung und Notwendigkeit der Maßnahmen zu erkennen.
Im Plenum verfolgte ich am Donnerstag die Debatte über die Förderung der beruflichen Weiterbildung. Der Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten kommt bei der Umgestaltung der Arbeitswelt eine zentrale Rolle zu. Daher wollen wir die berufliche Weiterbildung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stärker fördern. Dazu können künftig höhere Zuschüsse gezahlt werden, wenn sich ein größerer Anteil der Beschäftigten eines Betriebes fortbilden muss. Zudem soll auch das Antragsverfahren zur Förderung der beruflichen Weiterbildung für Arbeitgeber und Beschäftigte vereinfacht werden.
Die Rede des AfD-Abgeordneten Martin Sichert hat mich erschüttert. Er nutzte die Debatte, um junge Menschen zu diffamieren. Mit seinem bewusst verkürztem Zitat „Junge Menschen sind förderberechtigt, die ihren Wohnsitz und ihren Aufenthalt außerhalb Deutschlands haben“ versuchte er den Eindruck zu erwecken, dass mit dem vorliegenden Gesetz junge Menschen in ihrer beruflichen Weiterbildung gefördert werden, die nichts zur Stärkung der Wirtschaft beitragen, um sie anschließend als „Ausländer, die eine miserable Bildung und kaum Deutschkenntnisse haben, im Leben nicht zurechtkommen und mit der Arbeitsmentalität in Deutschland ein Problem haben“ darzustellen. Dass der Gesetzentwurf allerdings beinhaltet, dass es hier um Menschen geht, die ihren Wohnsitz zwar außerhalb Deutschlands haben (vorwiegend in unseren angrenzenden Nachbarländern), aber dessen Berufs- und Ausbildungsbetriebe in Deutschland liegen, wird in seinem Beitrag mit keinem Wort erwähnt. Als ehemaliger Berufschullehrer, der dreißig Jahre junge Menschen ausgebildet hat, konnte ich das von ihm gezeichnete Bild so nicht stehen lassen.
Wie kann man nur mit einer derartigen Infamie über diese Menschen bar jeder Kenntnis sprechen, wollte ich von ihm Wissen und ob er überhaupt annährend eine Vorstellung davon hat, wie viele junge Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland in den letzten 30 Jahren dieses System am Leben gehalten haben.
Am Freitag nahm ich an einem virtuellen Gedankenaustausch zwischen dem Präsidium der Universität und den Abgeordneten des Bundes- und Landtages der Stadt und des Landkreises Osnabrück teil. Auch die Universität Osnabrück ist von den Auswirkungen der Krise stark betroffen und entwickelt derzeit kreative digitale und insbesondere studierendenfreundliche Lösungen mit dem Ziel, den Forschungs- und Lehrbetrieb bei möglichst reduzierter Präsenz aufrechtzuerhalten. Im Rahmen des Austausches haben wir uns über die aktuelle Situation an den niedersächsischen Hochschulen unterhalten und mögliche Perspektiven und Strategien besprochen.
Damit verabschiede ich mich für diese Woche, in der wir wieder einige Maßnahmen beschließen konnten, die die Folgen der Covid-19-Pandemie für unsere Wirtschaft und Gesellschaft abmildern. So wird das Kurzarbeitergeld erhöht und die Möglichkeiten zum Zuverdienst verbessert. Der Bezug von Arbeitslosengeld wird verlängert, die Mehrwertsteuer für die Gastronomie gesenkt und die Unterstützung für Auszubildende, Studentinnen und Studenten sowie bedürftige Schulkinder wird verbessert. Ich finde, das kann sich sehen lassen.
Und wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Grundrente zeitnah im Bundestag beraten wird. Wir halten daran fest, die Grundrente ab dem 1. Januar 2021 in Kraft treten zu lassen. Denn das stützt die Nachfrage im Inland und hilft gerade den Menschen, die es in der Corona-Krise besonders schwer haben.
Ich wünsche Ihnen und Euch ein erholsames und sonniges Wochenende, bleiben Sie gesund.
Ihr/Euer Rainer Spiering, MdB