Rainer Spiering, agrarpolitischer Sprecher
Bis Ende des Jahres soll die Reform der Gemeinsamen europäischen Agrarförderung (GAP) abgeschlossen sein. Jedes Jahr werden in der EU rund 58 Milliarden Euro quasi bedingungslos an Landwirtschaftsbetriebe und damit indirekt an Flächeneigentümer weiter gereicht. Dies kann nicht länger akzeptiert werden. Vor diesem Hintergrund hat die SPD-Bundestagsfraktion in einem Positionspapier eine radikale Neuausrichtung der Agrarförderung nach dem Prinzip ‚öffentliches Geld für öffentliche Leistungen‘ beschlossen. Schrittweise sollen Steuergelder effizienter und im größeren Umfang als bisher für mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz und zur Stärkung der ländlichen Räume eingesetzt werden. Mit einer neu einzurichtenden Arbeitsgruppe innerhalb der SPD, bestehend aus Bundes-, Landes- und EU-Vertretern, wollen wir den Prozess aktiv begleiten.
„Ein absoluter Großteil der Bevölkerung, führende Wissenschaftler, eine Mehrheit von gesellschaftlichen Organisationen inklusive Teile des Berufsstandes sprechen sich für eine grundlegende Neuausrichtung der GAP aus. Für die meisten Beteiligten ist klar, dass das derzeitige europäische Agrarfördersystem ungerecht ist, Flächeneigentümer belohnt und die Effekte für Klima, Umwelt und Tierwohl marginal bis negativ sind. Letztendlich schaden die Subventionen dem Berufsstand und die gesellschaftliche Legitimation fehlt zunehmend. Die Steuerzahler*innen haben ein Recht, dass ihre Gelder effizienter und zielgerichteter eingesetzt werden. Unser Ziel ist nicht die Kürzung der Agrarförderung, sondern deren Bindung an Kriterien, die den Menschen in den ländlichen Betrieben, den ländlichen Regionen sowie dem Tier- und Umweltschutz zugutekommen. Dabei ist die Größe eines Betriebes unerheblich.
Demnach würden wir die Agrarförderung revolutionieren und finanzielle Mittel in bisher nicht gekannten Umfang von Natur-, Umwelt-, Klima- und Tierschutz in der Landwirtschaft sowie die Stärkung der ländlichen Räume bereitstellen. So soll beispielsweise der ökologische Landbau, Blüh- und Schutzstreifen an Gewässern oder die Renaturierung von trockengelegten Mooren in die klassische Flächenförderung aufgenommen werden. Nur auf diesem Weg wird die Landwirtschaft im Stande sein, die Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens und der europäischen Richtlinien sowie der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu erreichen. Auch soll die Junglandwirteförderung ausgebaut werden, damit bei einem älter werdenden Berufsstand der Generationenwechsel erleichtert wird.
Außerdem würden wir so mehr Spielräume zur Stärkung des Tierwohls und des ländlichen Raums erhalten, die wir zu gleichen Teilen fördern wollen. Nutztiere sollen mehr Platz und Tageslicht, bessere Luft, vielfältiges Beschäftigungsmaterial und gegebenenfalls Auslauf bekommen. Auch klimafreundliche Stall- und Landtechnik sollte förderbar sein. Das ist ein Angebot an Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, gemeinsam mit den Landwirten und Landwirtinnen, unterstützt mit staatlichen Mitteln in eine tierschutzgerechtere Haltung einzusteigen. Damit könnte Deutschland die Agrarwende einleiten und ein agrarpolitischer Trendsetter werden.
Die ländlichen Räume wollen wir gemeinsam mit den Wirtschaftsakteur*innen, Nichtregierungsorganisationen und den Menschen vor Ort weiterentwickeln. Gesellschaftlicher Zusammenhalt entsteht im Miteinander und nicht über Konkurrenzverhalten. Daher muss weiterhin die soziale und technische Infrastruktur gerade in strukturschwachen Regionen gefördert werden. Das geht von einer funktionsfähigen Breitbandanbindung über Einrichtung der Medizin und Pflege bis hin zu Initiativen zur Dorfentwicklung und Erneuerung mit attraktiven Angeboten für Jung und Alt. Wir müssen die Chance, die die Reform bietet, ergreifen, auch um zu verdeutlichen, welch ein Wert eine gemeinsame europäische Politik haben könnte.“
