Liebe Leserinnen und Leser meines Wochenberichts,
diese Woche begann für mich und für viele meiner Kolleginnen und Kollegen mit einer bestürzenden Nachricht. Unser geschätzter Kollege und Bundestagsvizepräsident, Thomas Oppermann, ist am Sonntag im Alter von nur 66 Jahren unerwartet verstorben. Seit 1990 hat Thomas, zunächst auf Landesebene und ab 2005 auf Bundesebene, die politische Landschaft mit seiner undogmatischen und fairen Art geprägt und mitgestaltet. Mit ihm verlieren wir einen außergewöhnlichen Politiker, einen besonderen Sozialdemokraten und einen über die Parteiengrenzen hinweg geschätzten Kollegen. Ich habe in dieser Woche viel an Thomas und die gemeinsamen Momente gedacht. Sein Schicksal hat mich sehr mitgenommen. Meine Gedanken sind in diesen schweren Tagen bei seiner Familie und seinen Freunden.
In der AG-Sitzung am Montag sprachen wir unter anderem über das geplante Arbeitsschutzkontrollgesetz. Unbezahlte Überstunden, überteuerte und miserable Unterkünfte, mangelnde Hygiene, Verstöße gegen das Arbeitszeit- und Mindestlohngesetz – in der Fleischwirtschaft für viele Beschäftigte trauriger Alltag. Um diese Missstände endlich zu beenden, hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil einen Entwurf für ein Arbeitsschutzkontrollgesetz vorgelegt, mit dem hier endlich ein Riegel vorgeschoben werden könnte. Doch die Union blockiert und hat dafür gesorgt, dass der Gesetzentwurf diese Woche nicht zum Abschluss gebracht werden kann. Gegenüber den Beschäftigten in der Fleischbranche ist diese Blockade unverantwortlich. Die Unternehmen müssen endlich Verantwortung für alle Beschäftigten übernehmen. Das Geschäftsmodell, das auf Sub-Sub-Sub-Unternehmer setzt, muss beendet werden. Keine Werkverträge und Leiharbeit mehr! Und von diesen Forderungen werden wir keinen Millimeter abrücken.
Am Dienstag führte ich ein interessantes Telefoninterview für ein studentisches Forschungsprojekt der Universität Duisburg-Essen. Im Rahmen des Forschungsprojekts soll die Interessenvermittlung des Bauernverbandes näher beleuchtet und die strategische Ausgestaltung sowie die Wirkungs- und Einflussmechanismen der verbandlichen Interessenvermittlung untersucht werden. Ich finde das Forschungsprojekt außerordentlich spannend und habe mich sehr gefreut, dass ich mit meinen Erfahrungen im Umgang mit verbandlicher Interessenvermittlung helfen konnte. Ich bin auf die Ergebnisse der Forschung gespannt.
Am späten Nachmittag tagte die Fraktion. Angesichts der sich zuspitzenden Infektionslage in Deutschland sprachen wir in der Fraktionssitzung am Dienstagabend über die Bewältigung der Corona-Pandemie. Corona bringt unsere Demokratie in eine Situation, die es so noch nicht gegeben hat. Gerade zu Beginn der Krise war es richtig, exekutive Befugnisse zu bündeln. Doch war das Parlament in den vergangenen Monaten nicht untätig. Im Gegenteil: wir haben 27 Gesetze mit Corona-Bezug beschlossen und mehr als 70 Plenarbefassungen durchgeführt. Heute stehen wir vor einem Winter, der uns alle fordern wird. Über die Frage, wie mit den steigenden Fallzahlen umzugehen ist, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Das ist auch gut so, denn jeder Streit in der Sache gehört zu einer lebendigen Demokratie. Darum werden wir im Anschluss an die Regierungserklärung der Kanzlerin in dieser Woche eine Debatte im Plenum zur Bewältigung der Corona-Pandemie führen. Für uns ist klar: Ziel und Zweckmäßigkeit von Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung und zum Schutz aller müssen öffentlich im Parlament diskutiert werden, damit sie weiterhin akzeptiert und befolgt werden. Das Vertrauern der Bürgerinnen und Bürger in künftige Maßnahmen kann nur hergestellt werden, wenn der Bundestag der zentrale Ort für die Debatte über die Ziel und Zweckmäßigkeit der Maßnahmen ist.
Am Mittwoch fand im Plenum die Trauerfeier im Gedenken an Thomas Oppermann statt. Es war eine Trauerfeier, die mich persönlich sehr berührt und nachdenklich gestimmt hat. Selten habe ich über alle Parteigrenzen hinweg so viel Betroffenheit gesehen. Die Reden von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und unserem Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich haben mich sehr gerührt und haben gezeigt, wie nah ihnen dieser unerwartete Tod geht.
Nachdem die Agrarminister der EU-Länder in der letzten Woche einen Kompromiss über die zukünftige Ausgestaltung der europäischen Agrarpolitik erzielt haben, debattierte der Bundestag am Mittwochnachmittag über die Ergebnisse des Kompromisses und die Frage, inwieweit dieser das bestehende Agrarsystem tatsächlich zukunftsorientiert reformiert. Denn die Neuausrichtung der europäischen Agrarmilliarden ist ein wichtiger Schlüssel für den dringend benötigten Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft für mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz. Im Rahmen einer gemeinsamen Pressemitteilung haben MdB Matthias Miersch und ich bereits vergangene Woche erklärt, dass die erzielten Beschlüsse aus unserer Sicht den Betrieben nicht die notwendige Planungssicherheit geben. In meiner Plenarrede habe ich zudem deutlich gemacht, dass wir als SPD eine Landwirtschaft wollen, die ökologisch sinnvoll ist, sozial ausgewogen und naturstärkend ist. Für uns ist zudem von zentraler Bedeutung, wie mit den Menschen umgegangen wird, die in der Landwirtschaft arbeiten. Denn Respekt vor der Tätigkeit ist die Grundlage des sozialen Seins. Der vorliegende Kompromiss ist aus unserer Sicht verbesserungswürdig. Nichtsdestoweniger hat mich die Art und Weise der vorgetragenen Kritik einiger Kolleginnen und Kollegen zum Teil irritiert. Kritik in der Sache ist, wie ich auch in meiner Rede deutlich gemacht habe, angebracht. Gleichzeitig sollten wir aufpassen, dass wir Kompromisse nicht systematisch schlechtreden. Denn sie sind das Wesen der Demokratie und als solche auch unverzichtbar. Wir alle wissen, wie viel Arbeit und Kraft es kostet, eine gemeinsame Lösung zu finden und einen mühsamen Ausgleich unterschiedlicher Interessen herzustellen. Dies gilt erst recht, wenn es sich um eine Einigung zwischen 27 Mitgliedsstaaten handelt und das sollten wir Demokratinnen und Demokraten bei aller notwendigen inhaltlichen Kritik nicht vergessen.

Im Rahmen des Praktikantenprogramms der SPD-Bundestagsfraktion sprach ich am Mittwochnachmittag mit unseren Praktikantinnen und Praktikanten über die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Ich habe es schon oft in meinen Wochenberichten erwähnt und werde dennoch nicht müde es zu wiederholen: Für mich ist der Gedankenaustausch und das Gespräch mit jungen Menschen immer wieder bereichernd. Ich finde es schön zu sehen, wie viele engagierte, kluge Köpfe wir haben.
Am Abend stimmte der Bundestag über die Fortführung des Bundeswehreinsatzes zur Bekämpfung des IS-Terrors und zur Stabilisierung des Irak ab. Nach wie vor ist der IS in der Lage, Gebiete in der Region zu kontrollieren und Anschläge in Syrien, Irak und in Europa zu verüben. Jahrelang litt die Bevölkerung im Irak und in Syrien unter der IS-Terrorherrschaft. Um die Stabilität im Irak zu unterstützen und ein Wiedererstarken des IS in der Region zu verhindern wird sich Deutschland auch weiterhin beim Aufbau der regulären irakischen Streitkräfte beteiligen. Dabei wird die Obergrenze beim Einsatz deutscher Soldatinnen und Soldaten von 700 auf 500 reduziert.
Den Tag beendete eine weitere Namentliche Abstimmung zum Nachtragshaushalt.
Heute ging es für mich nach den letzten beiden namentlichen Abstimmungen zurück in die Heimat.
Ich wünsche Ihnen und euch ein erholsames Wochenende und einen schönen Reformationstag.
Ihr/Euer Rainer Spiering, MdB