SPD-Bundestagsfraktion verdeutlicht ihren Standpunkt zum geplanten Freihandelsabkommen

Bis heute haben bereits 113 Gemeinden in ihren Kommunalvertretungen über das Für und Wider eines Freihandelsabkommen diskutiert. Dies macht den enormen Gesprächs- und Informationsbedarf deutlich. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt diese öffentliche Debatte – insbesondere auch auf kommunaler Ebene. Sie ist notwendig, um die Handelspolitik endlich aus dem Verborgenen zu holen. Die intransparente Verhandlungsführung  zu Beginn der TTIP Verhandlungen war ein Fehler und hat unnötige Ängste und Befürchtungen geschürt.

Bei den bereits 138 ratifizierten Abkommen der Bundesrepublik Deutschland hat es keine vergleichbare Diskussion auf kommunaler Ebene gegeben. Die Diskussion bietet die Chance zu verdeutlichen, warum ein gerechter und auf europäischen Werten basierender Freihandel für die Stärkung der europäischen Wirtschaft wichtig und für die Erhaltung und Schaffung von guten Arbeitsplätzen von enormer Bedeutung ist. In Deutschland profitieren Wirtschaft, Verbraucher und Arbeitnehmer stark vom freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, er sichert und schafft Arbeitsplätze. Deshalb unterstützt die SPD-Bundestagsfraktion seit Beginn die TTIP-Verhandlungen. Sie setzt sich für ein ausgewogenes, umfassendes und ambitioniertes Abkommen mit den USA ein, das die in der EU und in Deutschland bestehenden, bewährten Regelungen zum Arbeitnehmerschutz oder zum Schutz von Umwelt oder Verbrauchern, die öffentliche Daseinsvorsorge und die kulturelle und mediale Vielfalt wahrt.

In der öffentlichen Diskussion wird oft behauptet, dass ein TTIP-Abkommen die Wahrnehmung kommunaler Aufgaben in Frage stellen, die Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge absenken oder notwendige Regulierungsspielräume einschränken könnte. Hierzu hat Sigmar Gabriel klargestellt:

„Die Daseinsvorsorge ist ein Eckpfeiler für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Wir brauchen Bildungseinrichtungen, Gesundheitsvorsorge, ein möglichst breites Kulturangebot und vieles andere mehr, das allein unter Gesichtspunkten der Marktrationalität nicht flächendeckend bereit gestellt werden kann. Es ist daher unser gemeinsames Kernanliegen, dass die Kommunen weiter das Recht haben, die Aufgaben der Daseinsvorsorge nach Maßgabe ihrer Prioritäten vor Ort zu erledigen.“

Weder durch das TTIP-Abkommen noch durch andere Handelsabkommen der EU – dazu gehört auch CETA oder TiSA – dürfen die Entscheidungs- und Regelungsbefugnisse der Kommunen in Deutschland in Frage gestellt werden. Das ist die klare Richtschnur der Politik der SPD-Bundestagsfraktion für die Daseinsvorsorge in den TTIP-Verhandlungen. Die SPD-Bundestagsfraktion wird zusammen mit der Bundesregierung darauf achten, dass das Abkommen die Spielräume der EU, aber auch der Mitgliedstaaten und insbesondere der Kommunen in Deutschland in diesen Bereichen nicht einschränken wird.

Qualität der Daseinsvorsorge bleibt erhalten

Im Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission zu TTIP ist verankert, dass die hohe Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge in der EU erhalten bleiben soll. In diesem Punkt sind sich die Chefunterhändler der Kommission und der USA einig, was sie auch öffentlich bekundet haben. Im Bereich der Daseinsvorsorge wird es keine neuen Marktzugangsverpflichtungen gegenüber den USA geben.
In TTIP wird eine Sonderregelung für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge aufgenommen, die inhaltsgleich mit der entsprechenden Regelung im seit 1995 geltenden General Agreement on Trade in Services (GATS) ist. Dazu sind ergänzend spezielle Vorbehalte z. B. für die Bereiche der Wasserversorgung und der Bildung geplant. In diesen Bereichen wird Deutschland keine neuen Verpflichtungen zur Marktöffnung übernehmen. Das bedeutet, dass keine Verpflichtungen zur Privatisierung geschaffen werden und die Kommunen auch dort, wo keine Monopole bestehen, unverändert ihre Aufgaben wahrnehmen können. Die Regelungen werden so gefasst, dass auch Spielraum für künftige Maßnahmen bleibt, etwa für Rekommunalisierungen. Es wird keine so genannten „Ratchet-Klauseln“ (Sperrklinken-Klauseln) für die Daseinsvorsorge geben. Schließlich wird – wie auch in CETA – eine horizontale Ausnahme für Beihilfen angestrebt, die gewährleistet, dass das Abkommen die Rahmenbedingungen für die staatliche Finanzierung der Daseinsvorsorge nicht ändert.

Keine Änderung für wirtschaftliche Betätigung der Kommunen

Zur Frage, ob und wann sich Kommunen wirtschaftlich betätigen dürfen, wird das Abkommen keine Regelungen enthalten. Zusammen mit der Bundesregierung setzen wir uns dafür ein, dass die europarechtlich vorgesehenen Möglichkeiten für eine ausschreibungsfreie Beauftragung von Eigenbetrieben und in öffentlichem Eigentum stehenden Stadtwerken (so genannte Inhouse-Ausnahme) sowie für die horizontale Zusammenarbeit von Kommunen und anderen öffentlichen Auftraggebern durch TTIP nicht eingeschränkt werden. Ziel ist es, die bestehenden Spielräume abzusichern, wie es auch im Abkommen der EU mit Kanada (CETA) gelungen ist.

Keine zusätzlichen Ausschreibungspflichten für die Kommunen

Es ist zudem Ziel der EU und der Bundesregierung, dass die Regeln zur öffentlichen Auftragsvergabe bezüglich der Daseinsvorsorge nicht über die Regelungen im EU-Vergaberecht hinausgehen, sondern die EU-Regeln einschließlich der darin vorgesehenen Ausnahmen bzw. Sonderregelungen für bestimmte Leistungen der Daseinsvorsorge widerspiegeln. Öffentliche Auftraggeber sollen weiterhin ihre Vergabekriterien im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben selbst bestimmen können. Dazu gehört auch das Recht, eine Vergabeentscheidung an die Einhaltung von Regeln zum Arbeitnehmer- oder Umweltschutz zu knüpfen. Die Verpflichtung, in einem Vergabeverfahren Bieter unabhängig von ihrer Herkunft gleich zu behandeln, gilt im deutschen Vergaberecht bereits seit langem und wird durch das Abkommen nicht geändert.
Im Hinblick auf Konzessionen setzt sich die SPD-Bundestagsfraktion mit der Bundesregierung dafür ein, dass für von der EU-Dienstleistungskonzessionsrichtlinie ausgenommene Leistungen im Bereich der Trinkwasserversorgung und bestimmter Rettungsdienste auch durch TTIP keine Verpflichtungen festgelegt werden. Auch dies wurde mit CETA bereits erreicht.

Rahmenbedingungen für Soziale Dienste werden berücksichtigt

Gute soziale Dienstleistungen gewährleisten Teilhabe und fördern den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Im Rahmen von TTIP als auch bei allen anderen Abkommen achtet die SPD-Bundestagsfraktion darauf, dass die Rahmenbedingungen für die Erbringung sozialer Dienste in Deutschland Berücksichtigung finden. Dazu gehört, in TTIP keine neuen Marktzugangsverpflichtungen für den Bereich der sozialen Dienste in Deutschland einzugehen, wie dies auch im CETA-Abkommen festgelegt ist. Die gemeinnützige Leistungserbringung und die bestehenden Möglichkeiten, soziale Dienstleistungen weiterhin öffentlich zu finanzieren, dürfen auch durch TTIP nicht in Frage gestellt werden.

Arbeitnehmerrechte und Regulierungsspielraum werden gewährleistet

Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich auch bei TTIP dafür ein, dass der bestehende Rechtsrahmen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch das Abkommen nicht in Frage gestellt wird. Ein vertiefter Dialog mit den USA und eine verbesserte Kooperation in Bezug auf produktbezogene Normen und Zertifizierungsverfahren bieten die Chance, Produkte auf beiden Seiten gesundheitsgerechter und sicherer zu machen. Hingegen dürfen diese Maßnahmen nicht zu einer Absenkung der in der EU und in Deutschland bestehenden hohen Standards und Schutzniveaus im Arbeits- und Gesundheitsschutz führen – das gilt auch und insbesondere für das in der EU etablierte Vorsorgeprinzip.
Die Einhaltung von Kriterien des Arbeitsschutzes ist für beide Seiten vorrangiges Verhandlungsziel. So soll ein wirksamer Mechanismus zur Umsetzung der Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in den Vertrag aufgenommen werden. Dazu kommt eine Klarstellung, dass Bestimmungen zum temporären Aufenthalt natürlicher Personen die bestehenden Regelungen etwa zu Mindestlöhnen, zu Sozialversicherungen oder die Geltung von Tarifverträgen nicht einschränken. Auch im Übrigen ist sicherzustellen, dass Bestimmungen zur regulatorischen Kooperation die parlamentarische Gesetzgebungshoheit etwa im Bereich des Umwelt-, des Gesundheits- oder des Verbraucherschutzes nicht einschränken, wie es auch im CETA-Abkommen verankert ist.

Kulturelle Vielfalt wird abgesichert

Kulturelle und mediale Vielfalt sind zentrale Pfeiler einer demokratischen und toleranten Gesellschaft. Ein Handelsabkommen darf diese Werte nicht gefährden. Daher bleiben der Erhalt dieser Vielfalt und die Absicherung der öffentlich-finanzierten Kulturlandschaft ein wesentliches Anliegen im Rahmen der Verhandlungen. Nach dem Verhandlungsmandat wird das Dienstleistungskapitel zu TTIP nicht den Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen umfassen − diese bleiben insofern vom Abkommen unberührt. Für die übrigen Bereiche des Kultur- und Mediensektors ist nach den Vorgaben des Mandats festgehalten, dass das Abkommen keine Bestimmungen enthalten darf, die die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der EU oder ihren Mitgliedstaaten beeinträchtigen würden. Das schließt den Schutz des Kulturgutes Buch ein, ob in gedruckter oder elektronischer Form. Zudem darf die Weiterführung bestehender Politiken und Maßnahmen zur Unterstützung des kulturellen Sektors nicht behindert werden. Entsprechend darf das Abkommen auch in Bezug auf die bestehende und künftige Kulturförderung und die Medienvielfalt keinerlei Beeinträchtigungen zulassen. Die Bundesregierung wird nicht zulassen, dass in diesen Bereichen neue Marktöffnungsverpflichtungen für Deutschland vereinbart werden.

Der Bundestagsabgeordnete Rainer Spiering betont: „Ich möchte allen Bürgerinnen und Bürgern abschließend versichern, dass es mit der SPD nur ein Abkommen geben wird, das den Interessen der Bürgerinnen und Bürgern und auch der Wirtschaft unseres Landes nützt“.