Bei uns gibt es kein Gegeneinander

Aus dem Schwarzwälder-Bote, 23.06.2015 20:00 Uhr

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken und ihr Abgeordnetenkollege Rainer Spiering, Berichterstatter für berufliche Bildung der SPD-Bundestagsfraktion, besuchten gestern Vormittag die Gewerbliche- und Hauswirtschaftliche Schule in Horb.

Schulleiter Jochen Lindner durfte zu dieser zweistündigen Stippvisite auch die Horb SPD-Ortsverbandsvorsitzende Viviane Weschenmoser begrüßen und von Seiten der Schule hatte er Henning Jakobeit, Abteilungsleiter Sekundarstufe 1 und Berufsschule, mit zum informativen Gedankenaustausch gebeten.

Esken und Spiering sind derzeit zu Gesprächen in Sachen digitale Bildung in Baden-Württemberg unterwegs. Nachmittags stand die Besichtigung eines Lernlabors in Göppingen, zu dem auch die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, angesagt war, auf dem Programm und gegen Abend wollte man sich zu weiteren bildungspolitischen Gesprächen im Stuttgarter Kultusministerium treffen.

„Die Schule ist der Schonraum – das Leben spielt sich draußen ab“

Zuvor wollte man sich aber an der Basis, an einer der Horber Schulen, über den Ist-Zustand der Bildungslandschaft im Bundesland informieren. „Da haben Sie sich mit unserer beruflichen Schule aber einen großen Tanker ausgesucht“, freute sich Jochen Lindner, der gleich zu Beginn des Gespräches die sehr gute Kooperation der Horber Bildungseinrichtungen untereinander hervorhob.

„Bei uns gibt es kein Gegeneinander, sondern nur ein Miteinander“, erfuhren die beiden Parlamentarier. „Und dies, obwohl wir hier an der beruflichen Schule alle Ausbildungswege anbieten und dadurch von vielen Schülern als echte Alternative gegenüber den anderen Schularten gesehen werden. Zudem haben wir hier seit drei Jahren ein Technisches Gymnasium“, erklärte Lindner seinen Gästen. Auch die Bereitschaft zur dualen Ausbildung der Betriebe im Kreis war Lindner eine besondere Erwähnung wert.

830 Schüler und Schülerinnen besuchen die Schule insgesamt. Neben der stark von Frauen besuchten hauswirtschaftlichen Schule ist im gewerblichen Bereich die Metallverarbeitung mit eine der Schlüsseltechnologien. Hier ist man mit aktuellen, computergesteuerten Maschinen bestens ausgestattet.

Die Schule bietet auch die Möglichkeit eines dreijährigen Berufskollegs, das neben der Möglichkeit eines Realschulabschlusses auch die Option der Fachhochschulreife bietet. „Dies hat den unglaublichen Vorteil, dass wir vielschichtige Ausbildungswege – bis hin zum Techniker – anbieten können“, so Lindner.

Rainer Spiering, früher selbst Berufsschullehrer, war bei diesem Thema in seinem Element. Er erkannte, dass der Lehrermangel gerade in Baden-Württemberg ganz einfach daher kommt, das ausgebildete Lehrer lieber in die freie Wirtschaft als ins Schulwesen gehen. „Geschuldet auch dem Fachkräftehunger im Ländle“, stellte er fest. „Sie haben das zackig auf den Punkt gebracht“, wurde er von Schulleiter Lindner für diese Feststellung gelobt.

Für die Teilnehmer der Gesprächsrunde war klar, dass der Eintritt in eine Ausbildung für die jungen Leute eine tiefe soziale Zäsur bedeutet. Sie verlassen die irreale Welt der allgemeinbildenden Schulen, wie Saskia Esken diesen Lebensabschnitt nannte, bei dem man höchstens mal eine Gruppenarbeit macht, aber ganz allein bei den Prüfungen ist, um in der Ausbildung eine gute Lebenserfahrung zu machen.

„Die Schule ist der Schonraum – das Leben spielt sich draußen ab“, so Lindner, der auch den Begriff des „vorgereiften Lehrenden“ prägte, da der Ausbildungsbeginn immer weiter nach hinten geschoben wird. „Je höher der Bildungsstand, desto höher sind auch die Chancen im späteren Berufsleben“, so der einfache Nenner hierzu. „Im statistischen Mittel beginnt man mit aus diesem Grund derzeit in Deutschland mit 19,6 Jahren seine Ausbildung“, fügte Esken zu diesem Thema an.

Insgesamt glaubten die Gesprächsteilnehmer, dass die Berufsschulen schon immer aus tiefster Tradition heraus Gesamtschulen waren und sind und dass man als guter Lehrer ein gutes Maß an Entertainment mitbringen muss.

Die Berufsschullehrer diskutierten noch weitere Punkte so tief gehend miteinander, dass man zwar noch einen kleinen Rundgang durchs Haus machen konnte, für die geplanten Gespräche mit den Schülern aber keine Zeit mehr blieb. Was die beiden Bundespolitiker aus Horb mitnahmen, das war die Erkenntnis, dass der „Tanker“ Berufsschule trotz PCB-Leck in ruhigem Gewässer schwimmt, man jedoch noch ganz viel Überzeugungsarbeit leisten muss, bis auch die Damenwelt die Schönheit metallverarbeitender Berufe für sich entdecken wird.