Liebe Leserinnen und Leser meines Wochenberichts,
vorab möchte ich zu meiner Freude mitteilen, dass ich seit dieser Woche TTIP-Berichterstatter für den Bereich Ernährung und Landwirtschaft bin. Für mich ist dies eine spannende Aufgabe. Das Freihandelsabkommen mit den USA ist für mich, vor allem seit meiner Delegationsreise im Herbst letzten Jahres, von besonderem Interesse. An Entscheidungsprozessen in dieser Größenordnung teilhaben zu können, ist schon eine tolle Aufgabe und eine große Herausforderung. Umso mehr freut es mich, dass mir seitens der SPD Fraktion das Thema anvertraut wurde.
Meine Anreise nach Berlin war diese Woche durchzogen von Hindernissen. Nachdem ich mich erfolgreich durch den Schnee nach Bielefeld gekämpft hatte, verspätete sich auch noch mein Zug nach Berlin. So kam es, dass ich bei der AG Ernährung und Landwirtschaft nicht pünktlich eintraf. Mein Kollege Uli Freese sprach über die ersten Eckpunkte des Haushalts 2016. Unser Ziel ist es, möglichst viele sozialdemokratische Forderungen in den Haushalt mit einzubringen. Anschließend ging es ins Willy-Brandt-Haus zur internationalen Konferenz „ Chancen und Risiken des transatlantischen Freihandelsabkommens“, zu der unter anderem EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und DGB-Chef Reiner Hoffmann eingeladen wurden. Ziel der Konferenz war es, die Sorgen und Kritik der Bürger und Bürgerinnen ernst zu nehmen und diese im Rahmen einer offenen und sachlichen Debatte zu diskutieren. Im Vorfeld der Veranstaltung konnten sich Interessierte mit ihren Fragen und Bedenken an die SPD wenden. Große Kritik gab es vor allem an der mangelnden Transparenz der laufenden Verhandlungen. Die größte Sorge der Bürgerinnen und Bürger ist die Absenkung der bewährten europäischen Standards im Verbraucher- und Umweltschutz und im Arbeits- und Sozialrecht. Kein anderes Land ist so sehr auf offene Märkte und den Zugang zum Welthandel angewiesen wie Deutschland. Gleichzeitig bieten die Abkommen die Chance, weltweit bessere Standards beim Umweltschutz sowie beim Schutz von Arbeitnehmern und Verbrauchern durchzusetzen. Nur im Rahmen von Verhandlungen ist es möglich Standards durchzusetzen die unseren beziehungsweise europäischen Interessen dienen. Wer keine Verhandlungen führt, kann natürlicherweise auch keine Ergebnisse und Veränderungen erzielen.
Der Dienstag begann mit der AG Bildung und Forschung, bei der die EU-Abgeordnete Petra Kammerevert (SPD) zu Gast war. Mit ihr sprachen wir über die aktuellen bildungspolitischen Fragen auf EU-Ebene. Im Vordergrund standen dabei der Bologna-Prozess, dessen Ziele die europaweite Harmonisierung der Studiengänge- und Abschlüsse ist, sowie die Erhöhung der internationalen Mobilität von Studenten. Deutlich wurde in dem Gespräch aber auch, dass Berufsbildung, so wie wir sie verstehen, nicht unbedingt im Fokus europäischer Bildungspolitik steht.
Danach besuchte ich ein Fachgespräch zum Thema Pflanzenschutz und die nationale Bekämpfungsstrategie gegen die Kirschessigfliege. Ein Insekt, das den Winzern in Deutschland schwer zu schaffen macht. Die Kirschessigfliege befällt, anders als die Obstfliege, nicht nur verfaulte Früchte, sondern auch reifende Früchte kurz vor der Ernte. Da in dieser Zeit jedoch kein Insektizid verwendet werden darf, führte dies zu einem großen Problem in der Schädlingsbekämpfung sowie zu enormen Ernteausfällen der Winzer. Der Einsatz von Insektiziden ist jedoch keine Lösung..
Auch bei der Fraktionssitzung lag der Themenschwerpunkt diesmal auf TTIP. Nachdem die Konferenz des vorherigen Tages ausgewertet wurde, sprach Gabriel über die gemeinsame Position bei dem besonders umstrittenen Thema der Schiedsgerichte, die er in den vergangenen Wochen mit sozialdemokratischen Handelsministern, unter anderem aus Frankreich, Dänemark, Schweden, Luxemburg und den Niederlanden, erarbeitet hat. Ziel ist es, einen internationalen Standard der Schiedsgerichtsverfahren festzulegen. Um das Problem der privatwirtschaftlich organisierten Schiedsgerichte auszuräumen, sollen nicht wie bisher üblich private Vertreter bezahlter Anwaltskanzleien über wirtschaftliche Rechtsstreitigkeiten entscheiden, sondern staatliche Berufsrichter der jeweiligen Mitgliedsstaaten. Dies führt zu einer strukturellen Veränderung der privaten wirtschaftlichen Schiedsgerichte hin zu einer öffentlich-rechtlichen Institution und trägt zur Transparenz der Verfahren bei. Meines Erachtens hat Gabriel hier einen großen Erfolg erzielt und hat eine immer wieder vorgetragene Forderung der TTIP-Gegner erfüllt. Allerdings wird es schwierig, diese Position auch bei CETA (dem Freihandelsabkommen mit Kannada) durchzubringen, da die Verhandlungen der EU Kommission schon abgeschlossen sind. Für mich ist dies allerdings kein Grund zur Sorge, da Kanada und Deutschland eine ähnliche Rechtskultur pflegen.
Abends besuchte ich den Parlamentarischen Abend der Verbindungsstelle Landwirtschaft – Industrie (kurz VLI) zum Thema „Transatlantisches Freihandelsabkommen- Fluch oder Segen für die europäische Agrar- und Ernährungswirtschaft?“. Hierzu wurde auch ich im Rahmen einer Podiumsdiskussion gebeten zu sprechen. Den hochrangigen Vertretern der Wirtschaftsverbände habe ich deutlich gemacht, dass ein Freihandelsabkommen, nur möglich ist, wenn es von einer breiten Öffentlichkeit getragen wird. Die Aufgabe der interessierten Wirtschaft muss es sein, mit ihren Betriebsräten den Diskurs zu führen und unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu überzeugen und mitzunehmen.

Wie jeden Mittwoch tagten zeitgleich die Ausschüsse für Ernährung und Landwirtschaft sowie Bildung und Forschung. Da ich in beiden Ausschüssen Berichterstattungen hatte, wurde meine Fitness durch wiederholtes hin und her laufen besonders gefordert…
Abends ging es dann zum Empfang des Internationalen Frauentages der SPD Fraktion, zu dem mich meine neue Praktikantin Charlotte Ottensmeier begleitete.
Anlässlich der derzeitigen Situation Griechenlands rief die SPD Fraktion am Donnerstag eine Sondersitzung ein. Nach schwierigen Verhandlungen hat sich die Eurogruppe darauf verständigt, wie das Hilfsprogramm für Griechenland fortgesetzt werden kann. Das am 28. Februar auslaufende Programm soll wie im Dezember – damals um zwei Monate – erneut verlängert werden, mit dem Ziel, die letzte Programmüberprüfung erfolgreich abzuschließen. Aus meiner Sicht ist die Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland die richtige Entscheidung, denn nur zusammen sind wir in der Lage, die Probleme der Europäischen Union zu bewältigen. Ein Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone ist dabei keine Option. Griechenland ist auf die Unterstützung seiner europäischen Partner angewiesen, jedoch ist diese Unterstützung an Bedingungen geknüpft, die es seitens Griechenland gilt einzuhalten. Aus Sicht der SPD kommt es genau auf diese Mischung aus Strukturreformen, Finanzsektorstabilisierung und sozialer Ausgewogenheit an. Es bleibt abzuwarten, wie die Verlängerung des Hilfsprogramms umgesetzt wird.
Nachmittags folgte dann eine namentliche Abstimmung zu den Auslandseinsätzen in Mali. Anschließend tagte die Landesgruppe Niedersachsen. Eingeladen waren Vertreter der Apothekenkammer Niedersachsens, die uns ihre Sicht zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz darstellten.

Im Anschluss hatte ich ein sehr intensives und gutes Gespräch mit Thomas Ressel von der IG Metall. Es ging um Fragen der beruflichen Bildung allgemein und die Situation der Berufsschulen im Besonderen. Weiter haben wir uns über die flächendeckende Einführung von Jugendberufsagenturen und die Forderung einer Ausbildungsgarantie ausgetauscht. Am späten Abend nahm ich noch an der Plenumsdebatte zum Koalitionsantrag „Bildung in Deutschland“ teil. Hier ging es vor allem um die Umsetzung des Koalitionsvertrages bezüglich der Inklusion.
Da die Bundesregierung für die Verlängerung der Griechenland-Hilfen die Zustimmung des Bundestages beantragen muss, begann der Freitag mit einer Plenumsdebatte zu diesem Thema. Im Anschluss an die Debatte folgte dann die namentliche Abstimmung, bei der die SPD geschlossen der Verlängerung zustimmte. In der Unionsfraktion gab es einige Enthaltungen und Nein-Stimmen. Interessant war, dass Die Linke erstmals einem Griechenland-Hilfsprogramm zugestimmt hat, natürlich aufgrund der neuen linken Regierung dort.
Heute Abend geht es zum Grünkohlessen der SPD Bramsche und dann freue ich mich auf ein Berlin-Wochenende mit Jutta und Leon.
Ich wünsche Euch/Ihnen ein schönes Wochenende!
Ihr/Euer Rainer Spiering, MdB